Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
des Eigentümers öffnete mir nach wiederholtem Klingeln keiner. Also half ich mir selbst und inspizierte die Unterkunft. Eine geschlossene Veranda, eine große Küche und einen separaten Schlafraum mit mehreren Betten fand ich vor. Alles etwas schmuddelig, besonders der Sanitärbereich wirkte nicht übermäßig hygienisch. Dafür stand eine Dose Bier im Kühlschrank. Ich dachte mir, die muss jemand für mich da reingestellt haben! Vielleicht war es dreist, aber ich konnte sie in dem Moment nicht stehen lassen! Das tat so gut nach dem langen Marsch! Während ich Schluck für Schluck genoss und auf der Veranda meine müden Knochen von mir streckte, kam der Herr des Hauses angefahren und begrüßte mich freudig. Das erste, was er mich fragte, war, ob ich noch eine zweite Dose Bier möchte. Da fühlt man sich willkommen! Mir reichte jedoch das eine Bier, selbst das merkte ich schon. Es war genau richtig, dass ich das Quartier bereits selbst bezogen hatte, das ist vom Inhaber so gedacht. Da er öfters mal weg ist, lässt er das Refuge immer offen stehen, für den Fall, dass jemand ankommt. Er vertraut dabei auf die Ehrlichkeit der Pilger und ist auch noch nie enttäuscht worden. Da es bei meiner Ankunft bereits spät war, war ich sicher, der einzige Gast zu bleiben. Noch später würde sich wohl kaum jemand hierher verirren. Genau so war es!
Noch bevor ich mir den inzwischen trockenen Schweiß des Tages abduschen konnte, musste ich meine Einkäufe tätigen, da der nicht weit entfernte Supermarkt um 20 Uhr schloss. Der freundliche Gastgeber wies mich darauf hin, bloß keinen Wein einzukaufen und zeigte mir dabei die zwei Kisten unter der Spüle. Der ist für Pilger im Preis inbegriffen. Ich könne davon so viel trinken wie ich möchte, verriet er mir. Welch verlockendes Angebot, eine Wein-Flatrate sozusagen. Ein befreundeter Winzer stellt den Wein zur Verfügung. Ist sehr günstig, und sehr süffig. Reicht doch!
Der Rest des nicht mehr ganz so langen Abends ist schnell erzählt: Einkaufen, duschen, kochen, futtern (hatte einen Mordskohldampf heute und habe etwa 1,5 kg feste Nahrungsmittel in mich hineingeschaufelt!) und eben lecker Rotwein trinken. Beim Durchblättern des Gästebuchs ist mir ein Eintrag vom Autor meines Reiseführers ins Auge gesprungen, der vor ein paar Jahren ebenfalls hier Station gemacht hat. Einigen Pilgern, die anschließend vorbeikamen, ist das ebenfalls aufgefallen. Ihren Kommentaren lässt sich entnehmen, dass sie mit dem Reiseführer nicht so ganz zufrieden waren. Zum Ort gibt es zu noch zu sagen, dass er durch den Fluss in einen historischen und einen jüngeren Teil geteilt ist. Der historische Ortskern, der im Jahr 1255 während des 100-jährigen Krieges als sogenannte Bastide entstand, fällt dadurch auf, dass er in einem Rechteck erbaut wurde und die Straßen darin alle schachbrettartig angeordnet sind. Werde ich mir morgen mal etwas genauer ansehen, heute war ich dafür zu platt! Trotzdem hab ich den Tag richtig genossen. Gearbeitet hat heute nur der Körper. Im Kopf herrschte absolute Ruhe.
Porte-Sainte-Foy Downtown
Tag 49, Port-Sainte-Foy – Saint-Ferme 25 km
Nach einer durchgeschlafenen Nacht spürte ich bereits mit dem Aufstehen, dass meine Akkus wieder aufgeladen waren. Charly, der Besitzer des Refuge, leistete mir zum Frühstück spontan Gesellschaft. Ein lustiger Zeitgenosse, der mich total an Danny von den Malediven erinnerte, wenn er lachte. Und das tat er oft. Er hatte eine Menge unterhaltsamer Anekdoten über die unterschiedlichsten Pilger auf Lager, die im Laufe der Jahre bei ihm übernachtet haben. Besonders angetan hat es ihm ein australischer Naturbursche, der vor einiger Zeit im Original Crocodile-Dundee-Outfit auf dem Camino unterwegs war. Sogar sein riesiges Messer stand dem des berühmten Filmhelden in nichts nach. Natürlich hatte Charly ein Foto parat, und ich muss sagen, eine gewisse Ähnlichkeit zu Paul Hogan konnte ich dem australischen Pilger nicht absprechen.
Nach diesem kurzweiligen Intro startete ich mit einer unverschämt guten Laune meine heutige Etappe, unterbrach aber schon nach einem Kilometer für meine bereits geplante Besichtigung der alten Bastide. Ich bereute es nicht, mit ein bisschen Vorstellungskraft wird das Mittelalter dort wieder lebendig, wenngleich auf den Straßen und in den hübschen Fachwerkbauten längst die Moderne eingezogen ist. Auch die in den alten Stadtkern gezwängte
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