Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
schwarze Dogge darüber, dass ungebetene Gäste nicht zu nahe kommen. Ich durfte aber – und fühlte mich mal wieder großartig. Ja, genau das meinte ich heute Vormittag mit „Es ergibt sich eben immer alles“. Nie im Leben hätte ich diesen Ort von alleine gefunden, da er nicht direkt am Camino liegt und auch nirgendwo vermerkt ist. Wieder einmal hat mich das Glück geküsst!
Inhaber dieses prächtigen Anwesens, das sich seit Generationen in Familienbesitz befindet, ist ein älteres Ehepaar. Für die Frau ist es Hobby und gute Tat zugleich, Pilgern ein Gemach zu bieten und sie obendrein zu bekochen. Und was für ein Gemach mir zuteil geworden ist: Der Gang durchs Innere ist eine Reise in die Vergangenheit, hat echten Museumscharakter. Die Töpfe, das Geschirr, die Porzellansammlung, der Ofen und die Küchengeräte, alles steinalt, dabei top gepflegt. Und die Möbelstücke erst. Ich bin hellauf begeistert und freue mich wie ein kleines Kind, dass ich hier „wohnen“ darf. Mein Schlafgemach liegt im ersten Stock, das Treppenhaus dorthin ist so eng, dass ich mit meinem Rucksack kaum hindurch passe, der Boden knarzt unter jedem Schritt, die Gänge und Räume sind total verwinkelt. Beim Blick hinaus aus dem Fenster schlägt mein Herz vor Freude schneller. Das ist der Jakobsweg und dafür liebe ich ihn!! Und weil es hier oben so schön ist, haben sich passend dazu inzwischen fast alle Wolken verzogen und lassen im späten Sonnenlicht alles noch strahlender erscheinen.
Ein hollä ndisches Pilgerehepaar aus Edam teilt das Vergnügen mit mir, heute an diesem wundervollen Ort bleiben zu dürfen. In angemessenem Ambiente haben wir zusammen das reichhaltige Abendessen eingenommen, bevor wir uns in unsere Gemächer zurückzogen. Ich sitze nun schon über eine Stunde am offenen Fenster und werde dies bis zur vollständigen Dunkelheit weiter tun. Jeder Augenblick ist Genuss. Nirgendwo anders als hier möchte ich jetzt sein. Ich bin eins mit der Welt!
Saint-Ferme
Tag 51, (bei) Auros - Captieux 33,5 km
Selten habe ich besser geschlafen. Es war bereits nach 8 Uhr, als ich aufstand. Ich fragte mich, ob die Frösche erst gerade angefangen hatten zu quaken oder ob sie das schon die ganze Nacht taten? Wenn ja, wie konnte ich dabei überhaupt schlafen? Ich kann mich nicht erinnern, jemals so viele Frösche auf einmal so laut quaken gehört zu haben. Tja, dieses Plätzchen ist eben nicht nur für Menschen ein kleines Paradies. Das holländische Paar war schon weg, als ich an den gedeckten Frühstückstisch kam. Es hat nun mal nicht jeder meine Langschläferqualitäten.
Es fiel mir nicht schwer, das Schloss hinter mir zu lassen. Ich bin dankbar, dass ich dort sein durfte. Schneller und einfacher als erwartet fand ich mich auf dem ausgewiesenen Camino wieder und spürte vor lauter Leichtfüßigkeit kaum, dass ich es selber war, der ging. Ich war völlig entrückt, wunderte mich daher, als ich mich nach gefühlten 15 Minuten in Bazas wiederfand. Der Blick auf die Uhr verriet mir, dass ich tatsächlich rund 2 Stunden gebraucht hatte... .
Die Stadt sagte mir so zu, dass mein Aufenthalt unplanmäßig lang ausfiel. Insbesondere die gepflegte Altstadtkulisse auf dem großen Marktplatz und die teils steilen Gassen luden zum Verweilen ein. Ich spürte südfranzösische Urlaubsatmosphäre. Früher war Bazas wichtige Pilgerstation auf dem Weg nach Santiago. Viele prachtvolle Bauten sind aus dieser Zeit noch heute erhalten. Die Vergangenheit erklärt denn auch, dass die eigentlich kleine Stadt mit etwas mehr als 4.000 Einwohnern eine wirklich beeindruckende Kathedrale hat. Lässt einen das kunstvolle Portal außen nur staunen, ist es im Innenraum ein nicht greif- und beschreibbares Gefühl, welches mich sofort gefangen nahm. Ich fühlte mich ein wenig an Vézelay erinnert, wo ich beim Aufenthalt in der dortigen Basilika ähnlich empfunden hatte, noch etwas ausgeprägter. Es muss wohl mit der besonderen Pilger-Sensibilität zusammenhängen, die mich die Atmosphäre in diesem Maße spüren lässt. Ich kann mich nicht erinnern, vor meinem Pilgerweg jemals ähnlich empfunden zu haben. Wahrscheinlich deshalb, weil ich nicht offen dafür war. Nun, ich weiß ja inzwischen, dass es kein Fehler war, zu gehen.
Gerade als ich die Kathedrale verlassen wollte, ertönte die Kirchenorgel und füllte auch den letzten Winkel des Raumes mit einer geradezu unglaublichen Klangfülle. Welch ein Glück für mich, der
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