Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
zu denken (wäre doch auch mal eine echte Aufgabe für Politiker, oder?). Der Weg erteilt mir gerade meine erste Lektion, glaube ich.
Während ich meine letzten Zeilen zu Papier bringe, dringt von draußen ein Gekreische wie bei einem Konzert von Tokio Hotel in mein Zimmer. Dabei wird doch nur gegrillt!? Schon komisch, diese pubertierenden Mädels… .
Wie schnell sich alles dreht und wendet. Von meiner guten Stimmung des gestrigen Tages ist heute nicht mehr so viel übrig. Bin gerade eine Woche unterwegs, mit meiner Verfassung ist es wie mit der Landschaft in der Eifel, es geht rauf und runter. Was kommt als nächstes?
22 Uhr, nun ist Ruhe, offensichtlich wurde den Schülern Nachtruhe befohlen. Mir braucht sie keiner befehlen… .
Tag 8, Bollendorf - Welschbillig 20 km
Nach einem gemeinsamen Frühstück startete mei ne Kurzzeit-Pilgerbekanntschaft schon rund eine Stunde früher als ich. Ich wartete, bis ich richtig wach war und half mit 2 Extra-Tassen Kaffee etwas nach. Hatte keine rechte Lust, mit den immer noch schmerzenden Füßen in die Schuhe zu steigen. Deswegen dauerte es, bis ich endlich die Kurve kriegte. Der Weg hinab durch den Ort zum Ufer der Sauer bot mir direkt einen herrlichen Blick durch das Flusstal und sorgte für gute Laune. Luxushäuser einiger gut betuchter Leute säumten die stark abschüssige Straße. Überhaupt ist mir aufgefallen, dass in den letzten Jahren viele, teils sehr ansprechende Häuser und Anwesen in der Eifel entstanden sind. Kein Wunder, dass es Menschen in diese schönen Wohnlagen zieht. Vielerorts bilden alte Bauerndörfer mit ihren urigen Höfen und liebevoll gestalteten Hausfassaden einen sehr charmanten Kontrast zur häufig kühlen und zweckmäßigen Neubauweise. Schade eigentlich, dass die Eifel schon bald hinter mir liegt. So schön hätte ich sie mir gar nicht vorgestellt. Sicher auch ein Verdienst des tollen Wetters.
Bis Echternach ging ich über eine Stunde ausschließlich am grünen Ufer der Sauer entlang und stellte fest, dass ich kaum flüssiger ging als gestern, mich aber wenigstens nicht ständig antreiben musste. Meinen Aufenthalt in Luxemburg verlängerte ich durch einen Mini-Stadtbummel und eine ausgedehnte Pause am Sauerufer. Entspannt saß ich dort eine ganze Weile, schaute den Enten zu, wie sie sich flussabwärts treiben ließen und freute mich, dass ich deutlich besser drauf war als gestern. Bevor ich Wurzeln schlagen konnte, erhob ich mich kurz vor Mittag zum Weitermarsch und beendete mit dem Gang über die Sauerbrücke meine Stippvisite in unserem kleinen Nachbarland. Ziemlich überrascht, jedoch äußerst wohlwollend nahm ich zur Kenntnis, dass ich mit jeder Minute leichtfüßiger wurde. Es hatte gar etwas von Lustwandeln, so beschwingt lief es sich auf einmal. Muss ich das Verstehen? Egal! Als mir später der Gesang der irischen Schlachtenbummler „Come on your boys in green“ in den Kopf kam und sich dort festsetzte, steigerte das meine Laune weiter, am liebsten hätte ich die Liedpassage lauthals mitgegrölt. Meinen Mitmenschen zuliebe ließ ich es bleiben. Es ist schon seltsam, wie nah die unterschiedlichen Stimmungen beieinander liegen. Vielleicht ist es ja im Alltag oft genauso, nur dass man es nicht bemerkt, weil man ständig abgelenkt ist. Hier ist man alleine mit sich selbst und seinen Gedanken und nimmt sich viel intensiver wahr. Wie es aussieht, werde ich mich bestimmt noch richtig gut kennen lernen auf dem langen Weg, der vor mir liegt… .
Die folgende Route verlief über einen Höhenweg, von dem aus sich die Eifel einmal mehr von seiner schönsten Seite präsentierte. In einer kleinen Bauernsiedlung kam ich zum x-ten Mal vom Weg ab, wahrscheinlich weil ich eine Markierung übersehen hatte. Machte aber nix, denn mit ein wenig Pfadfindergeist fand ich querfeldein über Felder, Zäune und einen Bach wieder zurück auf den Camino. Wie schön, dass es das Muschelsymbol gibt! Ich fühlte mich gar so gut, dass ich einen Umweg über Helenenberg einschlug, um das dortige Kloster zu besuchen. Später machte mir ein freundliches Wanderpaar das Angebot, mich in ihrem Auto bis Welschbillig mitzunehmen. Unter Verweis auf die Pilgerehre lehnte ich ab. Außerdem wäre es doch viel zu schade gewesen, den schönen Panoramaweg nur zugunsten einer schnelleren Fortbewegung zu verlassen.
In Welschbillig wurde ich von einem 7- oder 8-jährigen Mädchen begleitet. Ein
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