Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
konnte ich durchatmen. Die Italiener sind in einem separaten Zimmer untergebracht. In „meiner“ Schlafkammer haben die letzten freien Betten kanadische Besetzer gefunden. Die beiden waren mit ihren Rädern erst um 21 Uhr in der Albergue angekommen, völlig durchnässt nach 5 Stunden Fahrt durch strömenden Regen. Über 100 km haben sie in ihren Beinen, Start der Tagesetappe war Logroño. Was eine Ochsentour! Entsprechend fertig sind sie jetzt, einer von den beiden hatte vorhin sogar einen Heulkrampf. Die beiden zehren sich sowohl physisch
als auch psychisch völlig aus. Sie haben so wenig Zeit, dass sie täglich fast 100 km
fahren müssen, um Santiago zu erreichen. Die kommen anschließend nach Hause
und müssen sich erst mal erholen. Pilgern? Ich würde sagen, purer Sport! Trotzdem
Respekt, wenn sie es schaffen, zu so etwas gehört eiserner Wille und Disziplin. Hoffentlich halten sie dieses Programm bis zum Schluss durch!
Wie es sich in den größeren Städten bewährt hat, werde ich mir morgen in Burgos ein Zimmer nehmen, mal sehen, vielleicht kann ich es mir ja wieder mit jemandem teilen.
Es ist ruhig, die Italiener sind noch weg. Eine gute Gelegenheit, ins Bett zu gehen, um möglichst zu schlafen, bevor sie zurückkehren.
Was war’s für ein Tag? Ein guter? Ich würde sagen, kein schlechter, ein ganz normaler, und damit ja doch irgendwie ein guter! Hä? Es wird Zeit, dass ich schlafe!
Durch die Kornkammer Spaniens
Tag 67, Atapuerca – Rabé de las Calzadas 34 km
Pluspunkte für Italien! Ohne großen Krach gelang es ihnen, sich für den Abmarsch vorzubereiten. Na also, es geht doch! Am Frühstückstisch wurde ich Zeuge einer unfreiwilligen Comedy, die Akteure waren der Schwätzer und der Dicke (Sorry, nicht bös’ gemeint), beide noch ziemlich müde. Vor ihnen auf dem Tisch lagen 2+1, also 3 Kekse, um die es im folgenden Dialog (sinngemäß) ging:
Dicker : „Wo kommt denn der 3. Keks her? Ich hatte doch nur 2 hingelegt.“
Schwätze r: „Ich weiß nicht, ich war es nicht.“
Dicker : „Aber ein Keks ist nicht meiner, den muss jemand dahingelegt haben.“
Schwätzer : „Ich habe keine Ahnung, solche Kekse habe ich nicht:“
Dicker : „Und welche 2 sind jetzt meine Kekse?“
Schwätzer : „Dann essen sie doch alle 3 Kekse.“
Dicker : „Der Tisch ist schmutzig, vielleicht liegt der andere Keks ja schon länger herum.“
Schwätzer : „Das glaube ich nicht, er wird schon okay sein.“
Dicker : „Ich nehme jetzt diese beiden, ich habe mir vorgenommen, nur 2 zu essen.“
Mit diesem oder sehr ähnlichen Wortlaut lief die inhaltschwere Unterhaltung ab. Besonders witzig, mit welcher Ernsthaftigkeit die beiden dieses Gespräch führten. Ich glaube, Hape hätte seine helle Freude daran gehabt, und ein weiteres kleines Anekdötchen für sein Buch. So dürfte meinetwegen jeder Tag starten.
Draußen war es weniger erheiternd, Sauwetter, Novemberstimmung! Die ausgewiesene Schlechtwetterregion Spaniens machte ihrem Ruf alle Ehre. Wasserdicht eingepackt ging es um 7 Uhr auf die Piste, man musste sich schon kräftig in den Arsch treten, um die Kurve zu kriegen. Der Regen kam von allen Seiten, auf dem matschigen Pfad hinauf zu einer Hochebene drohte ich kleben zu bleiben, so gute Hafteigenschaften hatte der Boden. Mühsam arbeitete ich mich Schritt für Schritt aufwärts. Oben angekommen konnte ich in der Ferne schon Burgos erkennen. Die Regenwolken dort erschienen eher noch dunkler. Immer weiter!! Über eine wenig schöne, breit angelegte Pilgertrasse, wie es der Reiseführer ausdrückt, ging es durch eine Reihe trostloser Ortschaften. Aus starkem Dauerregen wurde heftigster Starkregen. Noch widerstand ich der Versuchung, in eine Café-Bar einzukehren. Raus aus dem Poncho, wieder rein in den Poncho – zu umständlich! War nun einmal in der Suppe, da konnte ich auch weitergehen. Außerdem wollte ich erst Burgos erreichen. Nach meinem Maßstab war das in Villafria geschafft. Dort beginnt der Großraum von Burgos. Mir war kalt! Das kommt ganz selten vor, also höchste Zeit, in einer großen, unpersönlichen Snack-Imbiss-Bar am Beginn des langgezogenen Industriegebiets eine wärmende Kaffeepause einzulegen. Dort kam mir ein (wahrscheinlich) spanisches Pilgerpaar entgegen, das gerade seine Pause beendete. Sie ist etwa 30 Jahre jung, groß gewachsen, schlank und sehr hübsch, er vielleicht Mitte 50 und deutlich kleiner
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