Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
weil ich die konstruierte Wichtigkeit vieler Vorgänge und Anweisungen gar nicht (mehr) ernst nehmen kann. Sollte das bisher wirklich niemandem aufgefallen sein, habe ich mich scheinbar gut verbogen. Das möchte ich nicht mehr. Am besten lasse ich mich selbst überraschen, was passiert. Es wird sicher auf Dauer irgendeine Aufgabe geben, für die ich zu gebrauchen bin. Vielleicht sollte ich gar nicht weiter darüber nachdenken, denn eigentlich beginnt mich das Thema zu langweilen.
Nur eines weiß ich zum gegenwärtigen Zeitpunkt: Profit- und wachstumsorientiertes Business scheidet als mein zukünftiges Tummelfeld definitiv aus! Was nicht passt, wird auch nicht mehr passend gemacht. Punkt, Ausrufezeichen!
Ob ich mich in dieser Hinsicht noch einmal grundlegend ändern werde? Vorstellen kann ich es mir nicht. Da ich im Moment sehr weit davon entfernt bin, meine Bestimmung zu kennen, mache ich zunächst mal weiter, was ich mit am besten kann: Alles locker auf mich zukommen lassen, versuchen, Gutes anzunehmen und den restlichen Müll einfach an mir vorbeischwimmen zu lassen. Ich glaube, das Pilgerdasein passt richtig gut zu mir. Vielleicht sollte ich Berufspilger werden!? Hm, ist nicht eigentlich unser ganzes irdisches Leben eine Pilgerreise? Eine Reise, um dem ultimativen Sinn (falls es ihn überhaupt gibt), den allgemeingültigen Werten unseres Seins (falls es sie überhaupt gibt) auf die Spur zu kommen?
Vernachlässigen wir nicht vor lauter Ehrgeiz, dem Streben nach Erfolg, Macht und Anerkennung den Aspekt einer immerwährenden Pilgerreise viel zu sehr? Kann es sein, dass wir Menschen in den „modernen“ Gesellschaften längst zu Gefangenen unserer auf Konsum und Verbrauch getrimmten Systeme geworden sind? Rast- und ruhelose Geschöpfe in einem Wettlauf, der kein Ende kennt? Wesen, deren Wert sich danach bemisst, wie gut sie funktionieren? Ich weiß, einige jener Menschen, die vor allem beruflich, materiell oder vom Statusgedanken möglichst das Optimum aus dem Leben herausholen wollen oder schon herausgeholt haben, werden diesen Gedanken sicher aufs Schärfste widersprechen. Aber was ist eigentlich das Optimum? Hängt die Beantwortung der Frage nach Gut oder Schlecht am Ende unserer Existenz auf Erden, die ja nichts weiter als ein Wimpernschlag ist, davon ab, ob wir es zu was gebracht haben oder nicht? Die sich ständig verändernden Wertvorstellungen der modernen Leistungsgesellschaft, also die, die der Mensch sich selbst geschaffen hat, mögen uns dies vielleicht weismachen wollen. Ich denke aber, wir alle auf diesem Planeten werden diese Frage tatsächlich erst am Ende unseres Lebens wirklich beantwortet bekommen, oder gar danach!? Warum also emanzipieren wir uns bis dahin nicht einfach ein wenig von allzu starren Lebens- und Glaubensgrundsätzen, pilgern etwas mehr durchs Leben?
Mitten in dieses Thema versunken sah ich nach vielleicht 10 km Wegstrecke Karl- Heinz vor mir. Als er mich erblickte, wartete er, er hatte mit mir gerechnet, wie er sagte. Gemeinsam gingen wir weiter, durch den vom vielen Regen aufgeweichten Waldboden bildeten sich riesige Morastklumpen an unseren Schuhen, die durch ihr hohes Gewicht unsere Schritte schwer werden ließen. Echter Ballast! Keiner von uns beiden war in dieser Phase besonders mitteilungsbedürftig, unsere Unterhaltung beschränkte sich auf ein paar bedeutungslose Eindrücke vom Wegesrand.
Schon bald erreichten wir Bazoches. Für mich stand bereits vorher fest, dass ich hier nächtigen wollte. Nach kurzer Überlegung schloss sich Karl-Heinz mir an und wir gingen gemeinsam auf die Suche nach einer Unterkunft. Ein netter Bauernhof mit Fremdenzimmern war schnell gefunden. Aus Kostengründen entschieden wir uns, ein Zimmer zu teilen. Obwohl wir uns noch nicht wirklich kannten, hatte ich das Gefühl, dass wir gut miteinander auskommen würden.
Im Anschluss an die obligatorischen Arbeiten bei Ankunft machten wir uns auf die Suche nach was Essbarem. Gar nicht so einfach, Bazoches ist eine Gemeinde mit gerade einmal 200 Einwohnern. Das Restaurant war verschlossen, obwohl darin ein halbes Dutzend Leute zu sehen war. Durch unser „Streunen“ um das Ladenlokal gewannen wir die Aufmerksamkeit einer älteren Dame. Sie öffnete die Tür und ließ uns herein. „Küche kalt!“, teilte sie uns mit. Bevor wir enttäuscht sein konnten, überraschte sie uns mit der freudigen Mitteilung, dass ein winziges Lädchen zur Einrichtung gehört. Wir ergatterten das
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