Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
Buch orientiert, wäre ich garantiert nicht hier gelandet, zumindest nicht an diesem Tag. Beim nachträglichen Lesen der Wegbeschreibung musste ich mehrmals herzhaft lachen. Leuten, die sich auf die Angaben des Reisebegleiters verlassen, mag es allerdings gar nicht zum Lachen zumute sein. Vor Arcy-sur-Cure gab es einen langen, extrem steilen, dadurch schweren Abstieg inmitten des Waldes. Klebriger Schlamm, lockere Geröllsteine und gemeine Wurzeln sorgten für beinahe unkalkulierbare Rutschpartien bzw. Stolperfallen. Es fiel mir schwer, mich auf den Beinen zu halten. Indem ich mich von Baum zu Baum stürzte und an den Stämmen festhielt, arbeitete ich mich langsam nach unten. Es war trotzdem reine Glückssache, dass ich heil unten angekommen bin. Ein Sturz auf diesem Abschnitt hätte böse Folgen haben können, Knochenbrüche nicht ausgeschlossen. So weit so gut. Was mich betrifft, ist das okay, bin ja mit den Verhältnissen klargekommen und habe meine Körperbeherrschung richtig eingeschätzt. Aber es gibt viele ältere Pilger, die in diesem schwierigen Gelände nicht mehr so sicher auf den Beinen sind, erst recht nicht, wenn sie schon über 30 Tageskilometer auf dem Buckel haben und entsprechend erschöpft sind. Hier gab es zweifelsfrei einen hohen Schwierigkeitsgrad, der in einem guten Reisführer unbedingt der Erwähnung bedarf! Nichts! Stattdessen lese ich von dem Hinweis auf ein öffentliches Klo in irgendeinem Ort. Für mich das i-Tüpfelchen auf ein haarsträubend schlecht geschriebenes und recherchiertes Machwerk. Ich hege Zweifel, ob der Autor den beschriebenen Weg je komplett selbst beschritten hat. Wenn ja, muss es verdammt lange her sein. Einfach viel zu viele Angaben waren komplett falsch oder zumindest seit Ewigkeiten überholt. Erschienen ist das Buch übrigens 2006. Für mich steht fest: Egal, was ich in Zukunft unternehmen werde, Werke dieses Autors kommen mir nicht mehr in die Finger. Dem Verleger empfehle ich dringend, Angaben und Personen besser zu hinterfragen, bevor dermaßen schlampige Inhalte veröffentlicht werden. Ansonsten ist die Glaubwürdigkeit ganz schnell dahin.
So, der Worte hierzu sind mehr als genug geschrieben! Morgen geht das Büchlein mit der Post nach Hause und der nächste Reiseführer kommt zum Einsatz. Wenn ich ihn nicht weiter erwähnen bräuchte, wäre dies die beste Auszeichnung. Mal sehen! Der Autor ist ein anderer, der Verlag der gleiche.
Mein soeben festgehaltener Unmut soll nicht darüber hinweg täuschen, dass es für mich ein grandioser Tag war. Er wird ein besonderer bleiben, egal, was noch kommt.
Schon morgen geht es weiter, aber vorher werde ich erst Vézelay und besonders der Basilika meine ganze Aufmerksamkeit schenken, daher erst spät losgehen!
Es ist weit nach Mitternacht, mein Blick ruht auf der Basilika, die von einem warmgelblichen Licht umhüllt ist. Mit einem Gefühl tiefer Zufriedenheit beende ich den Tag. Heute hat mich der Geist des Camino geküsst!
Auf dem Weg nach Vézelay
Tag 28, Vézelay - Bazoches 15 km
Nach einer traumlosen Nacht habe ich mir heute den Luxus gegönnt, erst um 9 Uhr aufzustehen. Das Frühstück war insofern etwas Besonderes, dass 12 verschiedene selbstgemachte Marmeladen gereicht wurden, dazu reichlich Obst. Natürlich nutzte ich das Angebot weidlich aus.
Spät verließ ich das Haus, schnurstracks ging ich in die Basilika, die eine magische Anziehungskraft auf mich ausübte. Schon beim Betreten der dunklen Vorhalle wurde ich gefangen genommen von der Atmosphäre einer einzigartigen Bauweise und großartig in Stein gemeißelter Kunst. Gesteigert wurde dieses Empfinden, als ich das letzte Portal in das gotische Langhaus durchschritt. Dominiert von 20 Arkadensäulen mit zahlreichen Skulpturen, wirkt dieses Gotteshaus schlicht und zog mich doch auf eine ganz spezielle Art in seinen Bann. Aus der Krypta vernahm ich gesungene Gebete, lateinisch, daher vom Inhalt unverständlich für mich. Mit einer Stimme, faszinierend klar, beinahe engelsgleich, verliehen sie dem Moment einen Hauch Unsterblichkeit. Ich konnte kaum glauben, dass eine einzige junge Frau, auffallend zierlich, in der Lage war, den großen Kirchraum nur mit dem warmen Klang ihrer Stimme zu füllen. Magic! Dieser Augenblick war für mich gemacht, zumindest bildete ich mir das ein.
Weniger harmonisch ist die Geschichte, die sich seit dem 9. Jahrhundert an dieser Stelle abgespielt hat. Allein
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