Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
manchmal driftet man ab auf dem Jakobsweg. Ist aber schön, sich so ungezwungen mit bedeutungslosen Themen auseinanderzusetzen. Anflüge dieser Art wird es sicher noch öfters geben. Bin gespannt, ob auch Deutschland mir mal einen wert sein wird… . Egal, jetzt ist Frankreich! 4 weitere Wochen habe ich Zeit, dieses Land näher für mich zu erschließen, vielleicht gelingt es mir sogar… .
Weiter ging‘s, bis Nevers war es nur noch ein Katzensprung. Schon hinter einem Waldstück tauchten die ersten Vororte mit ihren schmucken Eigenheimen auf. Ins Zentrum war es allerdings noch ein ganzes Stück. Nevers ist mit rund 40.000 Einwohnern immerhin fast genauso groß wie Auxerre. Die Stadt ist Hauptstadt des Départments Nièvre, mir bisher überhaupt nicht bekannt. Magny Cours, Motorsportfreunden ein Begriff, ist nur 15 km entfernt. Ich nutzte meinen Gang durch die Altstadt als Sightseeingtour, ohne mich großartig mit der Historie zu befassen, bin ja nicht auf einer Studienreise. Die visuellen Eindrücke waren durchaus nett. In den (wohltuend autofreien) Gassen wurde bereits das Wochenende eingeläutet, die Straßencafés waren dicht bevölkert. Es gab (natürlich) einige historische Bauten zu bewundern, ebenso ein äußerst prunkvolles Schloss. Die äußerlich großenteils verhüllte Kathedrale präsentierte sich innen von erstaunlicher Größe, ohne etwas von der Magie der Basilika von Vézelay auszustrahlen. Wie in Auxerre war es auch hier eine ältere Dame, die sich um einen Stempel für meinen Pilgerausweis bemühte. Bei der Gelegenheit erklärte sie mir voller Stolz, dass ein paar Fenster denen des Kölner Doms nachempfunden sind. Ihre Augen strahlten dabei. Zu meiner anvisierten Unterkunft, einem Kloster, gelangte ich durch den großen Stadtpark. Eine Gartenschau oder etwas Ähnliches lockte dort viele Besucher an. Am Kloster angekommen sorgten Heerscharen vorwiegend älterer Touristen für Irritation bei mir. Der Parkplatz war voll mit Reisebussen. „Was geht ab?“, fragte ich mich, „ein normales Kloster ist das nicht!“ Bevor ich dem Menschenauflauf jedoch auf den Grund ging, begab ich mich zum Portal, um meine Übernachtung klar zu machen. Problemlos bekam ich ein Zimmer zugewiesen und wurde von einer freundlichen, englisch sprechenden, Nonne dorthin geführt. Wie es sich für ein Kloster gehört, „bewohne“ ich ein schlichtes Zimmer.
Nach der Dusche begann ich meine Erkundungstour, um dem „Geheimnis“ des Klosters auf die Spur zu kommen. Ich traf die Nonne wieder, die mich bereits zu meinem Zimmer geführt hatte und kam durch sie in den Genuss einer kostenlosen Führung. Die vielen Touristen, die jeden Tag das Kloster aufsuchen, sind selbstverständlich Wallfahrer. Die Ruhestätte der von der katholischen Kirche heiliggesprochenen Bernadette Soubirous ist ihr Ziel. Es handelt sich um jene Bernadette, die Lourdes zu einem der wohl berühmtesten Wallfahrtsorte der westlichen Welt gemacht hat. Unzählige Menschen vertrauen nach wie vor auf die Heilkraft des Wassers in der dortigen Grotte. Als Bernadette selbst der Trubel in Lourdes 1866 zu doll wurde, ging sie nach Nevers und schloss sich hier dem Orden der barmherzigen Schwestern an. Mit gerade einmal 35 Jahren starb sie im Jahr 1879 an Knochentuberkulose und wurde im Kloster beigesetzt. Heute ist ihr Körper in einem Glassarg in der Klosterkirche aufgebahrt – unerklärlicherweise unversehrt! Keine Verwesung, nix!
Zum Ende unseres kleinen Rundgangs, nur am Sarg war ich noch nicht, gab mir die liebe Schwester eine Infomappe in deutscher Sprache, durch die ich mich etwas näher mit diesem Ort und dem Leben von Bernadette befassen konnte. Ich durfte mich frei im ganzen Kloster bewegen, natürlich außer in den Privatgemächern. Als um kurz nach 19 Uhr die letzten Busse vom Gelände verschwanden und die Hauptpforte geschlossen wurde, war es plötzlich still im Kloster. Kein Trubel mehr, dafür mit einem Schlag eine andere, ganz eigene Atmosphäre. Es zog mich zu Bernadettes Sarg - der Anblick ihres Leichnams berührte mich tief. Eine einzigartige Ausstrahlung umgab die junge Frau, die in ihrem Glaskasten vor mir lag, als würde sie nur schlafen und könnte jeden Moment aufstehen. Ihre Präsenz erfüllte die ganze Kirche, ich meine, ihren lebendigen Geist gespürt zu haben. Es waren Momente von größter Intensität, nicht wirklich zu beschreiben. Erst nach mehr als einer halben Stunde konnte ich mich von Bernadette lösen und
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