Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)

Titel: Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Meik Eichert
Vom Netzwerk:
Pilgerstocks zu entlasten. Ich biss auf die Zähne und bewegte mich stark humpelnd voran. Beinahe trotzig versuchte ich in der Folge den schmerzenden Knöchel zu ignorieren und redete mir, fast einem Mantra gleich, ein, mich durch ihn nicht von meinem Vorhaben abbringen zu lassen. Immer wieder musste ich zwischendurch Pausen einlegen, um den Fuß zu entlasten. Und immer wieder die gleiche Frage, warum mir dieses blöde Missgeschick passieren musste. Vielleicht ist es ja eine Prüfung, mutmaßte ich. Eine, die mich auf die Probe stellt, ob ich an meinem Ziel festzuhalten bereit bin oder vorzeitig die Waffen strecke. Ja, das wird es sein! Diese Variante gefällt mir. Mein Kämpferherz ist gefragt und es war sogleich geweckt. Die Schmerzen wollen überwunden werden. Hieran glaube ich, weil ich genau hieran glauben will. Dieser Glaube war es auch auf den nächsten Kilometern, der mich am Laufen bzw. humpeln hielt.
     
    Es dauerte fast 3 Stunden, bis ich die knapp 8 km bis Saint-Amand-Montrond überwunden hatte und entlang eines Kanals den Ortseingang passierte. Allein die Tatsache, es trotz Handicaps bis hierher geschafft zu haben, gab mir neue Kraft und Zuversicht. Mit einem Bänderriss wäre das wohl kaum möglich gewesen. So schaffte
    ich es, die Gedanken an Aufgabe zu verdrängen. Ic h sog nun jedes positive Signal auf, um mir damit weiter Mut zu machen. Trübsal zu blasen, wäre der Anfang vom Ende gewesen! Eine wichtige Erkenntnis!
     
    Saint-Amand-Montrond ist recht groß, obwohl mit 12.000 Einwohnern auch nur eine Kleinstadt. Aber da ich sie auf dem Weg zu meiner Unterkunft fast komplett zu durchqueren hatte, erschien sie mir alles andere als klein. Der Stadtkern war sehr belebt, von vielen engen Gassen durchzogen. Er bietet ein Überangebot an allerlei Geschäften und hat eine hohe gastronomische Dichte mit auffallend britischem Einfluss (2 irische und ein schottisches Pub). Die äußerlich unscheinbare Kirche ist von innen düster und vermittelte mir alles andere als positive Energie. Schnell war ich wieder draußen. Ich hoffte, im örtlichen Kloster Aufnahme zu finden, musste aber feststellen, dass sich dies angeblich hinter einer normalen Haustüre in einem Reihenhaus befinden soll. Konnte ich irgendwie kaum glauben. Trotz mehrfachen Klingelns öffnete niemand die Tür. Also noch einmal weiterhinken. Ich war nun mit meinen Kräften wegen der ungesunden Gewichtsverlagerung ziemlich am Ende, landete schließlich in einem sogenannten Foyer Jeunesse Travailleurs. Das ist am ehesten mit einem deutschen Studentenwohnheim zu vergleichen, nur eben hier für junge berufstätige Menschen mit schmalem Geldbeutel. Das Schöne an dieser Einrichtung ist, dass freie Zimmer für Kurzzeitgäste wie eben Pilger gegen geringes Entgelt zur Verfügung gestellt werden.
     
    Ich habe Glück, dass direkt gegenüber ein großer Supermarkt ist. Dort schaffte ich es trotz aller Schmerzen noch hin, um mir ein bisschen transportfähigen Proviant für die nächsten Tage zuzulegen. Ja, ich plane tatsächlich schon wieder für die nächsten Tage, ohne sicher zu sein, ob das überhaupt noch nötig ist. Das Einkaufen in diesem überdimensionierten Konsumtempel war grausam, noch dazu mit langsam aufkommendem Hunger. Wenn man nur so begrenzt Waren einkaufen kann, wie ich im Moment, sich aber diesem XXL-Angebot gegenüber sieht, dann macht das nicht wirklich Spaß. Da fällt es mir in den Mini-Märkten wesentlich leichter. Mir gelang es trotzdem, mich aufs Nötigste zu beschränken. Eines musste sein, das war eine Pulle vom günstigsten Bordeaux-Wein, den ich finden konnte. Den pfeife ich mir gerade rein, auf den Schock sozusagen.
     
    Als ich zum Abendessen in die Mensa meiner Unterkunft ging, sah ich gleichermaßen überrascht wie erfreut Gerard. Er hatte es also auch hierher geschafft. Hochachtung!! Aber er wird seinen Körper mit der jahrelangen Pilgererfahrung genau kennen und weiß, was er sich zumuten kann und was nicht. Ich war jedenfalls happy, ihn zu sehen. Gemeinsam ließen wir uns das erstaunlich schmackhafte, dazu reichliche Essen munden. Natürlich erzählte ich Gerard von meinem Missgeschick und meiner damit verbundenen emotionalen Talfahrt. Er nahm das sehr gelassen hin und erzählte seinerseits von einem Unfall, den er vor vielen Jahren hatte, als er auf dem Camino Frances nach Santiago unterwegs war. In einer Pilgerherberge war er beim Duschen auf den glatten Fliesen ausgerutscht und böse auf dem Boden aufgeschlagen. Ähnlich

Weitere Kostenlose Bücher