Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
Ich werde trotzdem jetzt aufhören, die vielen Kirchen, die ich unterwegs betrete, weiter einzeln zu erwähnen. Eine Beschreibung ist ohnehin nicht möglich. Was sie vermitteln, ist mehr ein Gefühl. Obwohl Kirchen für mich nicht zwangsläufig notwendig sind, um einem bestimmten Glauben Ausdruck zu verleihen, komme ich an denen auf dem Jakobsweg häufig nicht vorbei. Schön ist es vor allem, wenn man allein in ihnen ist. Das hat den Hauch des Besonderen. Sobald zu viele Menschen die Stille durchbrechen, verfliegt der Zauber, aller Reiz geht verloren. Stören tun mich vielfach die strafenden Blicke einiger Katholiken, wenn ich mich beim Betreten einer Kirche weder bekreuzige noch auf die Knie gehe. Erstens bin ich evangelisch geprägt und zweitens brauche ich keine Rituale, um mich Gott gegenüber demütig zu zeigen. Das kann ich auch aus meinem Inneren heraus. Gott selbst wird mir dafür sicher nicht böse sein. Ich schätze, mit dem Thema bzw. der Institution Kirche bin ich noch nicht durch. Mir stecken da zu viele Widersprüche drin. Heute mag ich mich damit aber nicht weiter beschäftigen.
Auf der Suche nach was Essbarem landete ich in dem abenteuerlichsten Tante- Emma-Laden, den ich je gesehen habe. Völlig überladen mit einem wahllos zusammengewürfelten Produktsortiment war ich kaum in der Lage, mich um die eigene Achse zu drehen. Älter als der Laden ist nur die Dame, die mich darin bediente. Ich schätze sie auf 80-90 Jahre! Eine andere Welt – irgendwie herrlich! Unter 5,- € kosteten mich die Zutaten für mein Abendessen und den Pilgerstempel bekam ich als Zugabe obendrein. Das 15,- € teure Menü im Hotelrestaurant konnte ich mir also sparen, sehr gut!
Für mein Mahl fand ich die exklusivste Picknickbank des Ortes. Direkt am Fuße der Ruinen mit Blick hinunter in die Schlucht, durch die sich die Creuse windet, breitete ich meine Köstlichkeiten aus. Statt das Gesabbel der Touristengruppen und die alten Chansons im Restaurant ertragen zu müssen, speiste ich allein im Freien, lediglich begleitet von dem lieblichen Gesang zahlreicher Vögel. Das sind die Momente, die mir zeigen, dass die Einfachheit des Pilgerdaseins wahrlich keine Einbuße an Lebensqualität bedeutet, im Gegenteil!
Während ich dinierte, wurde ich von einer holländischen Dame, so um die Mitte 40, angesprochen. Sie ist auch Pilgerin und bereits am 9. April in Venlo gestartet. Auch sie will den Camino in einer Tour bis Santiago zurücklegen - bereits zum 2. Mal! Schon 2002 ist sie den kompletten Weg von Holland nach Santiago gegangen. Sie war davon so fasziniert und beeindruckt, dass sie es unbedingt noch einmal machen wollte. Das tut sie nun, und sie bereut es nicht. Vergleichen lassen sich die beiden Reisen nicht ansatzweise. War die erste geprägt von Unsicherheit, vielen Stimmungsschwankungen, extremen Höhen und Tiefen, ist sie dieses Mal gleichbleibend entspannt unterwegs, greift auf ihre damaligen Erfahrungen zurück und kann daher uneingeschränkt genießen, was der Weg ihr bietet. Sie war damals allein unterwegs und ist es auch heute wieder. Ich ziehe den Hut vor ihrem Mut. Eine tolle Leistung!
Sie wohnt übrigens im gleichen Hotel wie ic h und hatte sich einen Platz im Restaurant reserviert. Ich glaube, sie hätte sich gerne zu mir gesellt, aber für 2 hungrige Mäuler reichten meine Vorräte nicht. „Bis morgen auf dem Weg!“ verabschiedeten wir uns voneinander, ohne uns gezielt zu verabreden.
Einen kurzen Anruf bei Wiebke gönnte ich mir noch. Alles gut zuhause! Sie war heute mit Uli und Ute in der Tenne, meinem Lieblingsort für ein kühles Weißbier. Bei
der Gelegenheit erfuhr ich, dass Schalke es wied er nicht geschafft hat! Der VfB Stuttgart ist Deutscher Meister, Schalke zum wiederholten Mal kurz vor dem großen Ziel gescheitert. Es birgt schon eine gewisse Tragik, dass es erneut nicht gereicht hat. Weniger für die Spieler, die dem Verein zumeist ja nur temporär als gutbezahlte Angestellte angehören, als viel mehr für die Fans, die ihr Herzblut in diesen Verein stecken und Jahr für Jahr hoffen, endlich mal wieder den Titel feiern zu dürfen. Sie tun mir schon etwas leid, allen voran mein Freund Atze, der in der vergangenen Woche extra 100 km von Werdohl nach Gelsenkirchen gepilgert ist, in der Erwartung, endlich den großen Triumph bejubeln zu dürfen. „Atze, lass den Kopf nicht hängen!“, möchte ich ihm am liebsten zurufen, „Irgendwann seid ihr dran!“ Trösten würde ihn das im
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