Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
Moment wahrscheinlich nicht.
Tja, und damit habe ich auch mit meiner Prophezeiung danebengelegen. Am fehlenden Willen hat es in der Mannschaft sicher nicht gefehlt, wahrscheinlich haben kurz vor dem Ziel wieder einmal kollektiv die Nerven versagt. Nun also die Stuttgarter, herzlichen Glückwunsch ins Schwabenländle! Sie hatten wohl die wenigsten auf der Rechnung, zumindest am Beginn der Saison. Wer hätte schon gedacht, dass diese junge Truppe aus überwiegend unerfahrenen, weitgehend unbekannten Spielern das Zeug haben könnte, die Meisterschaft zu gewinnen. Ich nicht! Respekt Armin Veh. Er hat es geschafft, das Team binnen kürzester Zeit zu höchsten nationalen Ehren zu führen. Wenn ich es richtig mitbekommen habe, steht der VfB ja auch noch im DFB-Pokal-Finale. Mit dem Double wäre der totale Triumph perfekt. Aber mit dem 1. FC Nürnberg und seinem alten Trainerfuchs Hans Meyer wartet da ein Team, das erst einmal bezwungen werden muss... .
Ich meine mich grob erinnern zu können, dass ebenjener Armin Veh, der jetzt als Erfolgstrainer gefeiert wird, um den 4. oder 5. Spieltag kurz vor seiner Entlassung stand. Es lief noch nicht und die Stimmen, die seinen Kopf als Trainer forderten wurden lauter. Ich bin sicher, dass diese Menschen sich längst in die Reihe der Schulterklopfer eingereiht haben, um ein bisschen vom Glanz des Titelgewinns abzubekommen. Gar nicht scheinheilig!
Es wäre doch schön, wenn das Beispiel Armin Veh künftig Schule macht und Trainer nicht nur an ihren kurzfristigen Resultaten gemessen werden, sondern ihre Arbeit etwas umfassender bewertet wird. Ich fürchte nur, das bleibt Wunschdenken. Geduld passt häufig nicht mehr in unsere gnadenlos auf schnellen Erfolg getrimmte Gesellschaft, das ist ja nicht nur im Fußballgeschäft so. Zahlen, sofort sichtbare Ergebnisse und nicht zuletzt persönliche Eitelkeiten bestimmen das Handeln der Spitzenfunktionäre bzw. Manager. Dazu kommt der Einfluss von Sponsoren und Investoren, die vom Fußball so viel verstehen wie ich von chinesischer Geschichte, nämlich nix! Sie haben das Geld, also wollen sie natürlich mitreden. Money talks... .
Eine Rolle bei Trainerentlassungen spielen sicher auch spezielle Medien. Sie sind es nicht selten, die eine Trainerdebatte erst in Gang bringen und schlagzeilenträchtig vermarkten. So wird ein öffentlicher Druck erzeugt, dem sich die wenigsten Vereinsvertreter widersetzen können und vielleicht auch gar nicht wollen. Es kommt
zur „unvermeidbaren“ Trennung, wie es so sc hön heißt, und über alle Kanäle bekommen wir die immer gleiche Leier an Rechtfertigungen zu hören. Hängt der Trainer dann am Galgen, dessen Schlinge vorher so fein säuberlich durch manche Medien vorbereitet wurde, sind es danach kurioserweise häufig die gleichen Presseorgane, die eine Hire-and-Fire-Mentalität der Vereine beklagen und zu mehr Moral und Geduld auffordern. Heuchlerisch? Zynisch? Nicht doch! So funktioniert nicht nur das Geschäft, sondern in vielen Teilen das Leben. Auf die Medien bezogen sind nun mal Schlagzeilen und gute Storys das Futter, um den Leser zu locken und dadurch den eigenen (Profit-) Hunger zu stillen. Und da der Hunger ständig wächst, bedarf es immer größerer Futtertröge, die gefüllt werden wollen, um nicht zu verhungern. Darf da die Wahl der Mittel hinterfragt werden, wie der Hunger gestillt - oder besser: die eigene Gier befriedigt - wird? Also wirklich!
Ich drifte mal wieder ab! Höchste Zeit für mich, in meine kleine Pilgerwelt zurückzukehren. Die ist mir im Moment groß genug, dazu so schön einfach und friedlich, wenn man sich nicht gerade selbst ein Problem schafft. Ich bin meines jedenfalls los, der heutige Tag hat mich endgültig wieder auf Kurs gebracht und ich freue mich schon auf den morgigen! So, bitte schön, darf es jetzt gerne bis Santiago bleiben!
Nett…
Tag 39, Crozant – La Souterraine 24,5 km
Nach gutem, traumlosem Schlaf begann der Tag mit einem überraschend üppigen Frühstück. Bei herrlichem Blick über die im Morgennebel liegende Creuse bekam ich den richtigen Appetit für meinen heutigen Marsch. So war ich ohne große Anlaufzeit gleich in bester Pilgerverfassung, als ich aufbrach. Nach Verlassen des Ortes boten die ersten Kilometer gleich höchsten Genuss für alle Sinne. Durch einen ursprünglichen Wald führte der Weg entlang der Sédelle, einem zunächst unscheinbar, später aber sehr facettenreich daher kommendem Flüsschen.
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