Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
bilden, sollte ich den Weg von Le Puy wohl selbst einmal gehen, sind ja nur 700 km, haha…!
Petra hat vor ein paar Tagen übrigens Karl-Heinz getroffen. Er ist immer noch etwa eine halbe Tagesetappe voraus, geht schon ein ganze Weile gemeinsam mit einem Franzosen, der weder Englisch noch Deutsch spricht. Eine interessante Konstellation, da Karl-Heinz wiederum kein Französisch kann. Ich vermute, dass er einfach lieber mit Kompanie unterwegs ist. Jeder mag’s halt anders.
Wie alle Städte in Frankreich an einem Sonntag ist auch La Souterraine fast ausgestorben. Der altertümliche Stadtkern ist sehr nett anzusehen, leider konnte jedoch weder die unterirdische Krypta noch die Kirche besichtigt werden. So mussten wir uns noch 2 Mal vor erneuten Schauern unter einen überdachten Hauseingang flüchten, bevor wir endlich die Pension aufsuchen konnten. Um es kurz zu machen, ich hatte Glück, es war noch genau ein Bett verfügbar. Der Eigentümer hat ein Pilgerzimmer mit 3 Betten eingerichtet, wovon 2 bereits reserviert waren. Pilgerherz, was willst du mehr, ich habe wieder ein Dach über dem Kopf, Abendessen und Frühstück gleich inklusive! Kurz nach Petra und mir kam auch der 3. Pilger dazu. Es ist Gilbert aus Belgien, ein Mann von vielleicht 60 Jahren. Er geht den Weg nach Santiago ebenfalls in einer Partie.
Unser Glas Bier konnten wir bei einem sonnigen Abschnitt sogar auf der Terrasse zu uns nehmen. Beim Austausch von unseren einprägsamsten Erlebnissen berichtete uns Gilbert von einer Nacht, die er vor einem überdachten Eingangsportal einer Kirche auf dem Boden verbringen musste, weil er keine Unterkunft gefunden hatte. Es war keine gute Nacht! Da hatte ich ja echt noch Glück bisher! Wegen mir darf das auch gerne so bleiben…!
Betrieben wird die Pension übrigens von einem eng lischen Ehepaar, das mit seinen kleinen Kindern vor einigen Jahren hierher gezogen ist. Ich erkenne viele Parallelen zu dem holländischen Ehepaar in Cluis, wenngleich die Motive etwas anders gelagert sind. Kurios ist, dass die Erwachsenen bis heute kaum Französisch sprechen und auch nicht wirklich gewillt sind, mit Hochdruck daran zu arbeiten. Scheinbar legen sie keinen gesteigerten Wert auf soziale Kontakte zu Franzosen. Es gibt dafür eine Menge Engländer, die in Frankreich wohnen. Das Leben in England ist einfach wahnsinnig teuer geworden, mehr noch als anderswo.
Eine Überraschung erwartete uns beim Abendessen. Wir wurden mit einem 3- Gänge-Menü verwöhnt, welches für mich ohne Übertreibung die beste Mahlzeit war, seit ich in Frankreich unterwegs bin. Serviert wurde uns das Ganze im gediegenen Ambiente bei Kerzenschein und offenem Kaminfeuer. Da kann man sich doch nur wundern! Ausgerechnet im vielgepriesenen Land der Feinschmecker wird uns von Engländern, den vermeintlichen Banausen auf diesem Gebiet, ein Mahl bereitet, noch dazu vegetarisch, das sicher auch kritischere Gaumen frohlocken lassen würde. Höchste Zeit, sich von dem Vorurteil zu lösen, die kulinarische „Vielfalt“ in England beschränke sich auf Fish and Chips. Nach unserem Festessen haben wir den Abend bei einem guten Glas Rotwein vor dem wärmenden Kamin ausklingen lassen und fühlten uns in diesem Moment ausnahmsweise mal gar nicht wie typische Pilger. Für morgen haben wir Drei beschlossen, dass das Wetter sich mal wieder von seiner besseren Seite präsentiert. Vielleicht hält es sich ja daran… .
Mitbewohner unserer Unterkunft in La Souterraine
Tag 40, La Souterraine – Châtelus-le-Marcheix 37 km
Was war das herrlich, beim ersten Blick aus dem Fenster wieder mal in einen ungetrübten blauen Himmel zu schauen. Das weckte die Lebensgeister auch nach einer eher mäßigen Nacht. Gilbert war der erste, der sich auf den Weg begab, Petra folgte ihm und ich war wieder einmal der Letzte. Mein gut eingespielter morgendlicher (Verdauungs-) Rhythmus ließ mich ein wenig länger ausharren. Ich bin froh, dass ich und mein Körper inzwischen eine wirklich gute Einheit bilden. Wir haben uns im Laufe der Zeit, glaube ich, kennen gelernt und wissen nun, wie wir miteinander umzugehen haben. Klingt vielleicht komisch, aber wir vertrauen uns.
Durch eine im Sonnenlicht strahlende Altstadt verließ ich La Souterraine und streifte nach Unterquerung der Autobahn leichten Schrittes an Feldern und Frühlingswiesen vorbei. Im ersten kleinen Ort auf dem Weg lief ich auf Petra auf, die sich dort noch ein zweites kleines Frühstück
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