Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
nicht einmal eine Pause machen wollte. Auch die mittlerweile etwas drückende Hitze belastete mich nicht nennenswert. So landete ich nach einem Nonstop-Marsch bereits gegen 14:30 Uhr in meinem Zielort Flavignac, in dem es eine Pilgerherberge für 4 Personen gibt. Dort war außer mir noch keiner, was mir die Möglichkeit gab, mich etwas auszubreiten und in aller Ruhe meine Klamotten zu waschen.
Das Refuge liegt direkt neben dem Kirchplatz. Da es keinen Garten hat, stellte ich mir einen Stuhl vor die Tür, um dort ein wenig zu relaxen. Es wäre so wunderschön ruhig gewesen, wenn nicht alle Nase lang ein paar Jugendliche mit ihren röhrenden Mofas für Lärm gesorgt hätten. Diese Teile sind echt eine Seuche. Egal, meine gute Laune konnte das nicht verderben. Etwas besorgt war ich beim Anblick der sich auftürmenden Wolkenberge. Sollte es das mit dem schönen Wetter schon wieder gewesen sein? Vielleicht ja nur eine Gewitterwolke, nach der es wieder aufklart… .
Gegen 17 Uhr bekam ich Gesellschaft. Der Franzose von unterwegs schleppte sich an und war froh, sein Tagesziel erreicht zu haben. Er heißt Gaston, kommt aus Paris, ist dort Ende April gestartet und will bis Santiago durchgehen. Er hat übrigens gar keine Blasen, sondern geht immer leicht humpelnd, wie er sagt. Er glaubt nicht, vor August in Santiago anzukommen. Gaston spricht wenig Englisch, aber es reichte für ein oberflächliches Gespräch. Währenddessen stieß mit Pierre ein alter Bekannter zu uns, langsam füllte sich das Refuge. Gaston und Pierre kannten sich auch schon, entsprechend wortreich fiel die Begrüßung aus. Ich nutzte deren angeregte Unterhaltung zum Einkauf. Da wir eine Küche haben, beschlossen wir, uns selbst zu versorgen. Ich bot mich an, die Zutaten zu besorgen. Entgegen meiner Befürchtung schien es kein Gewitter zu geben, die Wolken zogen sich wieder zurück. Wir schleppten das Mobiliar - Tisch und Stühle - aus dem Schlafraum, um bei angenehmen Temperaturen im Schatten der Dorfkirche unser Abendessen zu uns zu nehmen. Ein richtiges Stück Pilgerromantik. Es gab Suppe, Nudeln, Salat, Tomaten, Brot, Käse und Rotwein, so opulent, dass die Tischfläche fast nicht ausreichte.
Gaston und Pierre hatten sich offenbar eine Menge zu erzählen. Da ich in deren Muttersprache nun einmal nicht so viel mitbekomme, ging ich freiwillig spülen. Anschließend überraschte ich meine liebe Oma mit einem Anruf. Sie freute sich natürlich sehr und ich bin froh, dass es ihr gut geht. Auch bei meinen Eltern ist alles gesund und munter, nur Wiebke hat nach wie vor das arme Dier. Ich versuchte sie aufzubauen, indem ich die noch vor mir liegende Strecke herunterspielte, ihr einzureden versuchte, dass es gar nicht mehr so lang dauert. Stimmt zwar nicht so ganz, aber ich hoffe, sie bekommt die nächsten Tage mal etwas Abwechslung und Zerstreuung, dass sich die Zeit für sie nicht weiter so zieht.
Durch die Telefonate hatte auch ich noch meine Kommunikation. Gaston und Pierre waren immer noch im Gespräch vertieft, als ich zur Herberge zurückkehrte. Bis zum Einbruch der Dunkelheit, es war übrigens kein Wölkchen mehr am Himmel, gesellte ich mich zu den beiden und wurde ein wenig in deren Unterhaltung einbezogen.
Nun, da Gaston und Pierre in der Küche ihre Unterhaltung fortsetzen, will ich zusehen, ins Bett zu kommen, um vor den beiden zu schlafen. Zumindest von Pierre weiß ich, dass er schnarcht... .
Tja, es läuft weiter richtig prima, die Tatsache, dass ich so wenig zu schreiben habe, zeigt mir, wie unbelastet ich derzeit unterwegs bin. Nichts stört!
Urig…
Tag 44, Flavignac – La Coquille 32 km
Eine Nacht voller wilder Träume. Naturkatastroph en und Weltuntergangsszenarien, Hollywood hätte das nicht spektakulärer inszenieren können. Ich hoffe, es bleiben nur Träume. Im krassen Gegensatz dazu hatte ich absolut nichts dagegen, wenn es ein ereignisarmer Tag werden würde. Pierre und Gaston waren schon gegen 7:30 Uhr zusammen aufgebrochen. Ich musste noch etwas warten, Pierre war auf dem Klo und hatte anschließend seinen „Duft“ in dem winzigen Raum isoliert, höchste Erstickungsgefahr! Ich muss lernen und beim nächsten Mal vor ihm auf die Toilette gehen, sofern wir noch einmal im gleichen Quartier nächtigen werden. In Châtelus war es ja schon genauso wie heute.
Draußen war die Luft gut und auch die Sonne lachte wieder vom wolkenlosen Himmel. Dementsprechend viel Freude machte das
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