Abenteuer Jakobsweg - Höhen und Tiefen einer langen Reise (German Edition)
Irgendwie gelang es mir aber dann doch. Nun wollte sie, dass auch ich über Nacht bleibe. Es dauerte wiederum ein ganze Weile, bis ich ihr klar machen konnte, weitergehen zu wollen. Die liebe Nonne schaute richtig verstört, irgendwie verstand sie das alles nicht. Ich hatte ein richtig schlechtes Gewissen, als ich das Kloster verließ. Ich glaube, im Blick der alten Dame so etwas wie Enttäuschung erkannt zu haben. Hätte ich ihr Angebot der Gastfreundschaft und Nächstenliebe vielleicht doch annehmen sollen? Dass sich das nicht mal rächt...! Aber Blödsinn, ich habe doch nichts Böses getan, wir konnten uns eben nur sprachlich nicht ordentlich verständigen! Die Dame wird’s mir verzeihen. Den Stempel bekam ich übrigens nicht. Den hatte die Mutter Oberin in ihrem Büro unter Verschluss. Leider war sie nicht da. Dafür bestand die alte Nonne darauf, dass ich vor dem Weitermarsch wenigstens meine Wasserflasche auffülle.
Bis La Coquille waren es nur noch 4 km, von daher hätte ich sicher auch bleiben können, nur, bis Sorges wären es dann morgen knapp 40 km. Das kann ich zwar schaffen, klar, aber nicht unbedingt auf Knopfdruck. Und da es noch nicht so spät war, redete ich mir ein, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Diese 4 km bin ich schon mal näher an Sorges dran.
In La Coquille angekommen, schaute ich mich nach einer Infotafel um. Eine Dame in einem Straßencafé sprach mich an und fragte, ob sie helfen könne. Der vermeintliche Gast war in Wirklichkeit die Inhaberin des Cafés, und die vermietet nebenbei eine Ferienwohnung. Der Preis war in Ordnung, also zögerte ich nicht und nahm das Angebot an. Die Wohnung ist zwar renovierungsbedürftig, aber riesig groß mit 2 Toiletten, Küche, Wohnzimmer, Waschmaschine, Wäschetrockner etc., eigentlich viel zu viel für mich. Ich frage mich, ob in dieser schmucklosen Stadt eine derartige Ferienwohnung häufig in Anspruch genommen wird, habe da so meine Zweifel. Ich bin dagegen sicher, eine Pilgerherberge wäre hier wesentlich effektiver und lukrativer. Die Raumaufteilung bietet sich geradezu für diesen Zweck an. Sei’s drum, ich bin froh, dass ich all’ das heute Abend für mich alleine habe.
Bei einer so gut ausgestatteten Küche war es klar, dass ich selbst für mein Abendessen sorgen würde. Also schnell was eingekauft und ab an den Herd. Leider hatte ich die Zwiebel im Supermarkt vergessen. So was Blödes! Bezahlt hatte ich sie, aber offensichtlich nicht mit eingepackt. Da ich auf meine Vorspeise, Tomatenscheiben mit Zwiebelringen, heute keinesfalls verzichten wollte, rannte ich die 300 Meter nur für die Zwiebel noch einmal zurück zum Laden, und siehe da, in einer Ecke hinter der Kasse lag sie noch. Nun war alles wunderbar, meinem Wunschessen stand nichts mehr im Wege. Tja, an manchen Tagen legt man sogar für eine einzige Zwiebel (Wert: 0,23 €) 600 Extrameter zurück… .
Wie gestern zogen im Verlauf des Abends dunkle Gewitterwolken auf. Beeindruckend, wie schnell diese sich immer weiter aufplusterten und zu gewaltigen Gebirgsformationen anwuchsen. Bald war es nachtschwarz und wenig später ging der erste kräftige Schauer nieder, begleitet von zuckenden Blitzen und dumpfen Donnerschlägen. Meinetwegen sollen sie sich über Nacht richtig ausregnen, wenn morgen nur wieder die Sonne scheint! Das wäre schön!
Mit viel Bettschwere haue ich mich nun aufs Ohr, es ist 22 Uhr. Auch das Gewitter wird mich nicht mehr lange wach halten können.
Gewitterstimmung
Tag 45, La Coquille – Sorges 35 km
Nein, vielversprechend begann der Tag nicht. Es war gerade mal 5:30 Uhr, ein einziger gewaltiger Donnerschlag sorgte dafür, dass ich sofort hellwach war und beinahe aus dem Bett gefallen wäre. War das ein Knall!! Draußen schüttete es wie aus Eimern. Direkt neben der Eingangstür meiner Unterkunft verläuft ein Fallrohr, welches etwa einen halben Meter über dem Boden abschließt. Die sich daraus ergießenden Wassermassen verwandelten die leicht abschüssige Einfahrt in einen Sturzbach. Wenn ich in dem Moment aus der Tür hinaus getreten wäre, hätte ich Knöcheltief im Wasser gestanden. So hatte ich mir das gestern eigentlich nicht gewünscht! An Weiterschlafen war nicht mehr zu denken, trotzdem legte ich mich noch einmal hin, was sollte ich sonst groß tun? Bei dem Regen wollte ich jedenfalls nicht losgehen.
Es dauerte fast eine Stunde, bis es endlich
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