Abenteuer mit Archimedes, Pythagoras & Co.
beide mischen – und das tun wir gaaaanz vorsichtig –, dann setzen sie sich neu zusammen.«
Opa arbeitete sehr behutsam. Als er die Salzsäure öffnete, rauchte es aus dem Flaschenhals. Mit einem Teelöffel gab er einige Tropfen in ein Schnapsglas mit Rotkohlsaft. Die Farbe schlug in Knallrot um, viel intensiver sogar als der Apfelessig. Nun die Natronlauge. Giftgrün.
»Je intensiver das Rot, desto niedriger der Pehawert. Je intensiver das Grün, desto höher der Pehawert.«
»Was ist der Pehawert?«, fragte ich.
Opa schrieb
pH
auf das Blatt.
»Der Fff-Wert«, rief Olli. »Davon habe ich im Internet gelesen.«
»
pH
bedeutet
parts hydrogen
, also Anteile an H. Je mehr Wasserstoff in einer Lösung schwimmt, desto niedriger der pH-Wert, desto saurer, desto röter. Je höher der pH-Wert, desto basischer, desto grüner.«
»Konzentrierte Phosphatsäure, das Zeug, das in Cola verarbeitet wird, hat einen niedrigen pH-Wert. In Cola ist sie aber so verdünnt, dass sie ungefährlich ist.«
Nun tröpfelte Opa Salzsäure in ein Schnapsglas mit Rotkohlwasser und zählte jeden Tropfen. Danach gab er Natronlauge hinzu, auch die zählte er tropfenweise ab. Das alles tat er gaaaanz vorsichtig.
Blau. Opa nickte zufrieden und tippte seine Zunge ins Glas. »Salzig!«
Es kostete uns einige Überwindung, aber schließlich bestätigten wir Opas Geschmackstest.
»Säure plus Base ergibt Salzwasser?«, fragte ich.
Olli schaute auf die Buchstabensammlung auf dem Zettel und fasste zusammen. »Da ist
N
a drin und
Cl
und
H
und
OH
.
NaCl
ergibt Salz und
HOH
bleibt übrig, was auch immer das ist. Ist wie einfache Mathematik.«
»H 2 O ist Wasser«, erinnerte ich ihn und Olli antwortete: »Ach ja.«
Opa griff Ollis Frage auf. »Säure plus Base ergibt Wasser und Salz.« Nun schaute er mich an: »Ob man mit diesem Wissen allerdings Mädchenherzen gewinnt, scheint mir ungewiss.«
Ich versuchte es dennoch. Opa besorgte mir eine Schutzbrille und Gummihandschuhe. Gemeinsam maßen wir die Säure und die Base ab, dann lud ich Tanja zu uns ein.
Mein Herz klopfte wie ein Presslufthammer. »Ich zeige dir jetzt etwas, was du sicher noch nie gesehen hast«, begann ich. »Salzmagie!«
Tanja verschränkte die Hände auf der Tischplatte und schaute interessiert auf meine Aufbauten.
Opa stand etwas abseits und passte auf, dass die Chemikalien in den Gläsern blieben und nicht etwa Löcher in den Küchentisch brannten. Er hatte mich angewiesen, erst die Säure langsam in ein Gläschen mit ein paar Tropfen Wasser zu geben und dann die Lauge dazu. »Das Wasser dämpft die Reaktion«, war seine Erklärung. »Das Ergebnis ist dasselbe.«
Opa testete mein Gemisch zuerst mit der Zungenspitze. Er gab mir sein Okay, und ich schmeckte die Lösung als Nächstes. Schließlich war Tanja an der Reihe.
»Salzig«, sagte sie verwundert. »Wow, das ist wirklich Magie!«
»Das kann Hängeschulter nicht!«, rief ich triumphierend.
Tanja nickte. »Das kannst nur du.« Sie stand auf und zog sich die Schuhe an.
»Wollen wir Ritter spielen?«, fragte ich.
Tanja schüttelte den Kopf. »Ein andermal. Meine und Martins Mutter fahren in die Stadt, einkaufen. Da will ich mit. Mama lädt mich nämlich immer ins Kino ein, während die Frauen bummeln.«
»Du gehst allein ins Kino?« Ich wunderte mich.
»Natürlich nicht alleine«, antwortete Tanja, zwinkerte und war schon aus der Tür.
Mit hängendem Kopf schlurfte ich in die Küche.
»Ich weiß nicht, was du da gehört hast«, begann Opa. »Aber dass man mit Salzchemie Frauen erobert ...« Er schüttelte den Kopf.
Ollis Tag verlief auch nicht besser. Er konnte es nicht verwinden, dass Cola doch keine Supersäure war. »Mistzeug!«, fluchte er, als er mich sah, öffnete eine Dose und trank. »Lecker! Ich verstehe nicht, wie sich so viele Menschen irren konnten.«
Ich zuckte mit den Schultern. »Vielleicht haben die alle voneinander abgeschrieben? Wie damals bei uns im Musikunterricht. Jeder hatte die gleichen Fehler und hat dafür eine Fünf bekommen. «
Olli lachte.
Dann runzelte er die Stirn und sagte: »Aber die Cops wischen mit Cola sogar Blut von der Straße!«
»Sagt das Internet«, warf ich ein. »Und wenn schon. Blut kannst du sicher auch mit Tee, Milch oder Orangensaft aufwischen.«
Olli schürzte die Lippen. »Und die Geschwüre?«
Darauf wusste ich auch keine Antwort, aber ich ahnte, dass die mit Cola wenig zu tun hatten.
Es sah ganz danach aus, als gäbe es nur noch zwei Wollebachritter.
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