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Abenteuer mit Archimedes, Pythagoras & Co.

Abenteuer mit Archimedes, Pythagoras & Co.

Titel: Abenteuer mit Archimedes, Pythagoras & Co. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Zeidler
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Schaufenster eines Holzschnitzers. In diesem lagen Wurzelgesichter, hingen hölzerne Mobiles von der Decke und gaben sich Stockmännchen die Hand.
    Ich trat näher. »Genauso sieht Borkenkinn aus!«, flüsterte ich Olli zu.
    »Erinnert mich eher an die Baumgesichter«, raunte Olli.
    »Wahnsinn!«
    Die Tür öffnete sich und ein älterer Mann mit Lederschürze trat heraus. »Kann ich den jungen Herren helfen?«, fragte er und lächelte. Dabei warfen seine Wangen mehr Falten als Omas Kirchenrock.
    Olli ging forsch zum Angriff über. »Ich heiße Olli und das da ist Simon«, stellte er uns vor.
    »Würde. Herbert Würde.« Er machte eine Verbeugung. »Holzschnitzer Wollebachs.« Mit einem Schritt trat er ganz nahe an uns heran und raunte: »Magier und Alchemist der Westerburg! Tretet ein in mein bescheidenes Reich.«
    Drinnen wimmelte es von Heiligenfiguren, Wurzelgesichtern, Spazierstöcken, geschnitzten Tieren und noch mehr Heiligenfiguren. Ich setzte mich auf einen zum Stuhl geschnitzten Baumstumpf. Olli spähte neugierig in ein anliegendes Zimmer und nahm kurz darauf auf einer Astbank neben mir Platz.
    Herr Würde ließ uns kurz im Verkaufsraum allein und kam mit zwei Gläsern Limo zurück. »Habt ihr Zeit für eine Geschichte aus längst vergessenen Tagen?«, fragte er geheimnisvoll und begann schon zu erzählen: »Vor Hunderten von Jahren, als die Westerburg noch als eine mächtige Trutzburg Sarazenenheer um Sarazenenheer abwehrte, lebte ein Magier in deren höchsten Turm. ...« Er erzählte uns die Geschichte des Zauberers, der seine Heimat im Kampf gegen die Sarazenen verlor und seitdem unruhig die Welt durchwanderte, und beendete sie mit den Worten: »Schließlich, nach jahrhundertelanger Wanderung, gelangte er wieder nach Wollebach und beschloss, das Treiben der Sarazenen endgültig zu beenden. Und zwar mit der Magie, die in jedem Stück Holz steckt.«
    »In Holz steckt Magie?«, fragte Olli verwundert.
    Herr Würde machte eine Handbewegung, welche die ganze Welt umschloss.
    »Bäume sind die magischsten aller Zauberwesen. Aus dem Licht unserer Sonne und dem Wasser unserer Erde erschaffen sie Holz. Erscheint euch das nicht wunderbar?«
    So hatte ich darüber noch nie nachgedacht.
    »In jedem Stück Holz steckt noch etwas von der Sonnenkraft, die es einst hat sprießen lassen, und diese zapfe ich mit meinen Schnitzereien an.« Er deutete auf ein Wurzelgesicht. »Die Macht des Druiden Borkenkinn verstärke ich durch sein Antlitz, das tausendfach in der Welt verteilt wurde.«
    »Die Sarazenenbäume sehen aber genauso aus!«, wagte Olli einen Vorstoß.
    Herr Würde schürzte die Lippen. »Tun sie das? Nun ja, damals gab es viel weniger verschiedene Gesichter als heute, da ähnelten sich viele Leute. Außerdem waren zu Ritterzeiten ganze Landstriche miteinander verwandt. Möglicherweise war Borkenkinn ein Mitglied der Sarazenenfamilie und wurde von ihr ausgestoßen?«
    Vor dem Schaufenster sah ich Sommersprosse und Fetti auf ihren Mountainbikes in Richtung Haselheide davonpreschen. Olli hatte nichts bemerkt. Ich beschloss, ihn nicht zu ängstigen, und verschwieg meine Beobachtung. Herr Würde schenkte jedem von uns einen Talisman aus Holz, eine kleine Figur, aus ein paar Ästen gebunden und ebenfalls mit den Gesichtszügen Borkenkinns verziert.
    »Viel Glück an der Hundertjahreiche!«, wünschte er uns und schob uns vor die Tür.
    »Un-heim-lich!«, bemerkte Olli. »Woher hat er das mit der Eiche gewusst?«
    »Ein echter Magier!«, sagte ich und klatschte vor Freude in die Hände. »Nun kann uns nichts mehr etwas anhaben«, rief ich und reckte den Talisman unsichtbaren Angreifern entgegen.
    »Hast du in den anderen Raum geguckt?«, fragte Olli.
    Nein, hatte ich nicht.
    »Da sind lauter Metallkunstwerke ausgestellt. Aus Schrauben und Schrott. Toll! Das machen Alchemisten wohl, mit Metallen arbeiten.«
    Der Weg zur Haselheide führte durch lichten Laubwald. Die Sonne streute Gold durchs Blätterdach, ein leichter Wind flüsterte uns Mut zu. Ich verfolgte die Fahrradspuren auf dem Weg und hoffte, Sprosse und Fetti waren nicht wegen uns hier.
    »Dort haben wir dieses Jahr Ostereier gesucht«, sagte Olli. »Das scheint schon eine Ewigkeit her zu sein. Damals gab es für mich weder Westerburg noch Sarazenen. Verrückt! Da, hinter dieser Biegung liegt eine Kreuzung und auf der wächst die Eiche.«
    Vor uns stand ein mächtiger Baum, so dick, dass wir ihn nicht einmal zu dritt, mit Tanjas Hilfe, hätten umfassen können.

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