Abenteuer mit Archimedes, Pythagoras & Co.
verteilen.
»Das könnten wir versuchen, oder?« Ich schaute Tanja fragend an.
»Oder ist das auch wieder Schummeln?«, fragte Olli.
Tanja zuckte mit den Schultern. »Wie bekommen wir die Sonnenuhr denn in die Turmstube? Funktioniert die überhaupt in einem überdachten Raum?«, fragte sie unschuldig und freute sich an Ollis Grimasse.
Sein Gesicht erhellte sich. »Ganz einfach! Wir bauen eine Armbandsonnenuhr.«
»Die zeigt aber immer eine andere Uhrzeit, je nachdem, wo du stehst«, gab Tanja zu bedenken.
»Mit einem Kompass könnte man sich aber immer richtig hinstellen«, bemerkte ich. »Die Armbandsonnenuhr können wir zwar überall mit hinnehmen. Allerdings hilft die uns unter einem Dach auch nicht weiter.«
Es wurde spät. Wir beschlossen, uns morgen Vormittag wieder zu treffen; bis dahin sollte jeder für sich über das Problem nachgrübeln. Mit einem warnenden Seitenblick zu Olli erinnerte ich die Wollebachritter daran, dass keine modernen Hilfsmittel wie zum Beispiel Computer zur Lösung des Problems benutzt werden durften.
An diesem Abend kam Opa spät nach Hause. Ich aß zusammen mit Oma, und während ich ihr beim Brotschneiden zusah, stellte ich sie mir in einem langen, wallenden Gewand mit Diadem auf dem Kopf vor, wie sie neben dem König der Westerburg auf dem Thron saß und über ihre Untertanen regierte. Als sie mir gegenüber auf der Küchenbank Platz nahm, sah sie wieder wie Oma aus, doch ein Hauch Majestät schwebte um sie herum.
Meine Gedanken wanderten weiter zurück in den Wald und zu meinem seltsamen Erlebnis mit der gedehnten Zeit. Es hatte sich so wirklich angefühlt.
Ich lag schon im Halbschlaf, als Opa in die Wohnung rumpelte. Er redete zu Oma, etwas über den Bergfried, Bäume, Herrn Würde und den tollen Abend, der bald folgen sollte. Dann trat er in mein Zimmer und setzte sich auf die Bettkante.
»Wie war dein Tag, kleiner Prinz?«
Ich berichtete ihm alles und schloss mit einer Frage: »Im Wald rannten wir vor einem Monster weg oder einem Geist oder vielleicht haben wir uns das auch nur eingebildet. Auf jeden Fall hatte ich Angst und bin gerannt, so schnell ich nur konnte. Doch jede Bewegung schien zäh und langsam, alle Einzelheiten des Waldes konnte ich mir einprägen. Es war, als hätte sich die Zeit verlangsamt. Aber das ist doch Unsinn, oder?«
Opa dachte darüber nach und sagte: »Du erinnerst dich an letzte Nacht und den Wasserhahn? Da kamen dir fünf Minuten unendlich lang vor. Vielleicht ist es wahr und die Zeit hat sich für dich verlangsamt.«
»Wie soll das denn gehen? Eine Sekunde ist eine Sekunde, da kann man nichts dran ändern.« Ich deutete auf die Uhr an Opas Arm. »Die geht immer gleich schnell, außer die Batterie ist leer, dann steht sie.«
»Eine Uhr hat vielleicht nur fünf mal getickt. Fünf Sekunden. Doch hast du in diesen fünf Sekunden mehr geschafft als ich. Während sich die Sekunde für dich so anhörte: tick ...«, er atmete einmal tief ein und aus, »... tick, hörte sie sich für mich so an: ticktick! Der Zeiger der Uhr ging für uns beide nur einen Schritt vorwärts, dennoch schien die Zeit für uns verschieden schnell zu vergehen. Was die Uhr uns zeigt, ist vielleicht nur ein Richtmaß, an dem wir Menschen uns orientieren können und ohne das wir alle in verschiedenen Geschwindigkeiten leben würden.«
Das konnte ich nur schwer begreifen. »Zeit vergeht für jeden verschieden schnell? Ist es das, was du mir sagen willst?«
Opa zuckte mit den Achseln. »Ich weiß das nicht, aber manchmal kommt es mir so vor. Ihr Jungen seid immer so hektisch, so schnell mit allem.«
»Nein, ihr Alten seid immer sehr langsam.« Ich lachte und Opa stimmte mit ein.
Ernst fuhr er fort: »Aber was, wenn ich nicht langsam bin und du nicht schnell bist? Was, wenn die Zeit für mich einfach schneller vergeht und ich somit anscheinend länger brauche, bis ich mich gebückt habe? Mir ist nie langweilig, die Stunden fliegen einfach so an mir vorbei, wogegen du oftmals gelangweilt auf dem Sofa sitzt. Oder denke mal an den Kolibri. Für uns wirbeln dessen Flügel unglaublich schnell, aber für den Vogel sind wir vielleicht unglaublich langsam. Ich fühle mich nicht langsam, aber du empfindest mich als langsam. So ist alles relativ, vor allem das Empfinden für Zeit und Geschwindigkeit.«
»Aber wenn das so ist, wozu sind dann Stunden und Minuten gut? Wenn die eh für jeden unterschiedlich lang sind, brauchen wir die doch nicht, oder?«
»Wir brauchen ein Maß, an
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