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Aber dann kam der Sommer

Aber dann kam der Sommer

Titel: Aber dann kam der Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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Sie für einen mehr – oder nein, warten Sie – für zwei! Klein-Ditlef kann mit uns hier unten essen. Wie geht es der gnädigen Frau?“
    „Schwester Henny war gerade zum Essen unten. Sie sagte, die gnädige Frau schliefe jetzt.“
    „Gut, dann wollen wir bis nach dem Essen warten, ehe wir zu ihr hinaufgehen. Sagen Sie Schwester Dora, sie solle Klein-Ditlef hinunterschicken!“ Er sah aus wie ein kleiner Feldherr, der seine Tagesbefehle ausgibt.
    Klein-Ditlef erschien, ein ungewöhnlich hübscher Junge von acht Jahren und aufgemacht wie „Little Lord Fauntleroy“. Er gab mir die Hand und verbeugte sich. Als wir zu Tisch gingen, zog er den Stuhl für mich zurecht, er antwortete, wenn er gefragt wurde, sonst sagte er kein Wort, er aß manierlich wie ein kleiner Gentleman – einen so wohlerzogenen Jungen hatte ich noch nie gesehen. Kurzum, er war so, wie Tanten und Großeltern meinen, daß Kinder sein müßten – aber nicht sind. Aber in Blick und Manieren hatte er viel Ähnlichkeit mit seinem Vater. Allmählich verstärkte sich bei mir der Eindruck immer mehr, daß sich dieser Junge einmal zu einem Tyrann entwickeln werde.
     
     

     
     
    Nach der Mahlzeit gingen wir hinauf. Ich begrüßte die kleine Agnete und die Zwillinge, die sich mit ihrer Pflegerin in zwei geräumigen Kinderzimmern aufhielten. Dann besuchten wir Else. Sie lag nicht in dem großen Eheschlafzimmer, das sah ich nur im Vorübergehen. Es war ein riesiger, sonnenerfüllter Raum mit einer breiten Veranda davor und dem Blick auf den See. Else lag im Gästezimmer. Selbstverständlich war auch das hübsch, hell und sauber, aber…
    Der Ehemann küßte sie auf die Wange und überreichte ihr die traditionelle Quittung für das Kind: den neuen Diamanten im Ring. Das Baby war ein niedliches kleines Ding mit heller, glatter Haut und dichtem, dunklem Haar. Ich gratulierte herzlich.
    Lindeng wurde ans Telefon gerufen, und so blieben Else und ich allein. Sie nickte mir mit ihrem guten, ehrlichen Lächeln zu.
    „Lieb von dir, daß du gekommen bist, setz dich her! – Oh, Verzeihung!“ Sie errötete in hilfloser Verlegenheit. „Ich dachte gar nicht daran – ich sage einfach du…“
    „Aber, liebe Else, bitte, tu es weiter!“ bat ich. „Ich möchte mich so gern mit dir duzen. Ich habe doch noch gar keine Freundin hier. Ich mußte soviel an dich denken. Bist du nicht überglücklich, daß du ein so süßes kleines Mädelchen bekommen hast? Ich finde, es ist fast zu niedlich, um Hanna zu heißen.“
    Elses Kopf fuhr auf dem Kissen herum. „Wer hat gesagt, daß es so heißen soll?“
    Ich wurde verwirrt. „Dein Mann, soviel ich verstanden habe. Er und Tante Agnete sprachen davon, daß es entweder Hanna oder Hanna-Elise genannt werden solle. Aber ich habe das vielleicht mißverstanden.“
    Elses Augen waren außergewöhnlich blank, und ihr Mund zitterte. „Ach nein, du hast es nicht mißverstanden“, flüsterte sie.
    Lindeng kam zurück, strahlend, selbstsicher und fröhlich – ein krasser Gegensatz zu seiner kleinen Frau mit ihren zitternden Lippen und den feucht glänzenden Augen. „Ich muß rasch mal in die Stadt fahren, aber zum Kaffee bin ich wieder zu Hause. Sie bleiben doch wohl bei uns, Fräulein Unni? Ich werde Tante Agnete anrufen und ihr sagen, daß wir Sie heute hierbehalten möchten. – Bis nachher also – auf Wiedersehen!“
    Else und ich schwiegen, bis wir die Gartentür ins Schloß fallen hörten. Else lag unbeweglich auf dem Rücken. Unter den geschlossenen Augenlidern perlten Tränen hervor. Endlich versiegten sie, und Else begann zu sprechen, leise und zögernd.
    „Unni, es ist besser, daß ich es erzähle, du wirst es doch von den anderen erfahren. Du hast schon längst bemerkt, daß da etwas nicht stimmt. Und ich habe niemand anderen, mit dem ich mich aussprechen könnte, außer Tante Hanna vielleicht. – Es war – weißt du – , es war – wegen des kleinen Ditlef, daß ich geheiratet wurde. Ich war Krankenschwester und pflegte monatelang Ditlefs Mutter. Er war zu Besuch bei ihr, und da – und da – Ditlef war doch so schön und so scharmant – du verstehst, was ich meine, ja? Ditlef erzählte seiner Familie, wie die Sache zusammenhing, und so fanden Tante Agnete, Onkel Toralf und alle anderen, daß er ein Ehrenmann sei, weil er mich heiratete, anstatt sich zurückzuziehen und nur den Unterhalt für das Kind zu bezahlen.“
    Else unterbrach sich und schluckte. Ich drückte ihre Hand, und sie lächelte ein wenig, ehe

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