Aber dann kam der Sommer
sie fortfuhr:
„Niemand hat einen Hehl daraus gemacht, daß ich nur Ditlef zuliebe in ihrer Mitte geduldet wurde. Ich war ja nicht fein genug. Mein Vater war nur kaufmännischer Angestellter. Wenn du wüßtest, wie oft ich zu hören bekommen habe, daß ich dankbar zu sein hätte, daß nicht alle so gehandelt haben würden wie Ditlef, und daß er jede, die er wollte, hätte haben können. Ich taugte ja nichts. Ich war weder in Paris gewesen, noch konnte ich Bridge spielen. Ich konnte kein Menü für eine Gesellschaft zusammenstellen – kurzum, ich konnte nichts von dem, was ich können mußte. Wenn Ditlef seine ausländischen Geschäftsfreunde hier hat, bin ich stumm wie ein Fisch. Einmal habe ich versucht, die liebenswürdige Gastgeberin zu sein und mit meinen Sprachkenntnissen aus der Mittelschule Konversation zu machen. Aber nachher sagte Ditlef, ich solle das sein lassen, ich blamierte mich nur. Ich bin eben zu nichts zu gebrauchen – außer zum Kinderkriegen. Nur dazu hat er Verwendung für mich.“
Auf Elses Wangen hatten sich rote Flecken gebildet. Sie richtete sich auf einen Ellbogen auf.
„Und die Kinder nimmt er mir fort. Er gibt ihnen die Namen seiner Onkel und Tanten, er erzieht sie selbst – nein, er erzieht sie nicht, er dressiert sie. Wenn er da ist, sind sie die reinen Musterexemplare, aber mir gegenüber sind Klein-Ditlef und Agnete naseweis und unartig, und zum Hauspersonal sind sie unverschämt. Doch davon weiß Ditlef nichts. Die Zwillinge sind ja so klein, daß sie mich vorläufig noch brauchen, aber lange dauert das auch nicht mehr. Und nun – nun soll es mit der Kleinen genauso gehen. Es beginnt wie immer damit, daß sie nach einer von Ditlefs Tanten benannt werden oder nach seiner Mutter. Als Agnete geboren wurde, hatte ich mir so gewünscht, sie nach meiner Mutter ,Wencke’ zu nennen. Aber Ditlef hörte mir gar nicht erst zu, er bestimmte den Namen Agnete. – Ja, das war gewiß vernünftig, Tante Agnete stiftete als Taufgeschenk ein dickes Bankkonto, und sie wird das Kind sicher auch mit einem ansehnlichen Anteil in ihrem Testament bedenken…“
Else legte sich wieder zurück und schwieg. Ihre Augen standen voller Tränen, während sie den Diamantring betrachtete.
„Wenn du wüßtest, wie ich diesen Ring hasse!“ Ihre Stimme war mit einem Male ganz verändert, heiser von Bitterkeit und ohnmächtiger Wut.
Ich konnte kein Wort herausbringen. Schweigend streichelte ich ihre Hand.
Ihre Stimme war ruhiger, als sie weitersprach, beinahe gleichgültig.
„Aber es ist bestimmt klug, sie Hanna zu nennen. Tante Hanna hat auch viel Geld.“
Nun hatte ich die Sprache wiedergefunden:
„Ja, aber, Else, Tante Hanna ist ein so herzensguter Mensch, daß sie sich bestimmt mit dir freuen würde, wenn die Kleine nach deiner Mutter genannt würde. Und es würde gewiß ihr Taufgeschenk oder ihr Testament nicht im mindesten beeinträchtigen.“
„Das glaube ich auch nicht. Im übrigen sind mir alle Taufgeschenke und Testamente völlig gleichgültig. Ditlef ist reich genug, um für jedes seiner Kinder Bankkonten anzulegen. Aber wir haben eben verschiedene Ansichten – ständig!“
Herrgott, wie entsetzlich leid sie mir tat! Etwas in dieser Richtung hatte ich mir schon gedacht. Oh, hätte ich doch Mutti hier – oder Nora – irgend jemanden, den ich um Rat fragen könnte!
Else wandte mir den Kopf zu. „Unni, du darfst keinem einzigen Menschen erzählen, daß ich so mit dir gesprochen habe, hörst du? Ich habe mich bisher noch niemals beklagt, nicht einmal gegenüber Tante Hanna. Versprich es mir, Unni!“
„Auf Ehrenwort!“ versicherte ich. „Ich bin froh, daß du es mir erzählt hast, Else, daß du mir Vertrauen schenkst. Ich weiß nicht, ob ich dir irgendwann einmal einen Rat oder eine Hilfe geben kann. Aber wenn es für dich eine Hilfe bedeutet, dich auszusprechen, so will ich dir immer gern zuhören.“
„Wahrscheinlich hätte ich auch jetzt nichts gesagt, wenn ich nicht ein bißchen müde und abgespannt wäre“, meinte Else und lächelte mir wie um Entschuldigung bittend zu.
„O weh, du Arme! Ich denke aber auch an gar nichts!“ sagte ich erschrocken. „Wie fühlst du dich denn? War es eine schwere Geburt?“
„Ach nein – nur vier Stunden hat es gedauert, und es ist ja auch schon zwei Tage her. Ich fühle mich so wohl, daß ich meine, ich könnte morgen aufstehen.“
„Du, Else, war denn niemand aus der Familie von Anfang an nett zu dir? Kam dir niemand freundlich
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