Aber dann kam der Sommer
mich mitnehmen wolle, um die Pferde anzusehen. Die Tante strahlte vor Freude und Zustimmung.
Am Mittwoch musterte sie mich, bevor ich abgeholt werden sollte. Das Wetter war inzwischen kalt geworden, und so hatte ich meinen Wintermantel angezogen. Kritisch betrachtete sie mich von oben bis unten.
„Du müßtest wenigstens einen Pelzkragen darauf haben“, meinte sie. „Oder nein, warte mal!“ Sie klingelte nach Louise. „Louise, holen Sie meinen braunen Pelzmantel her – ja, den alten, dreiviertellangen!“
Kurze Zeit später war Louise mit einer großen Kleiderschutzhülle wieder da.
„Probier ihn mal an!“ sagte die Tante.
Ich schlüpfte in einen federleichten, weichen Pelzpaletot aus seidigen Fellen und warf einen Blick in den Spiegel. – Du lieber Himmel, er sah ja aus wie ein hypermoderner Hängemantel! Oh, wie elegant ich mir vorkam!
„Den kannst du tragen“, sagte die Tante, „er sitzt nicht schlecht.“
„Tausend Dank, liebe Tante Agnete! Du willst wirklich so lieb sein und ihn mir heute leihen?“
„Leihen? Den kannst du behalten. Du brauchst ihn, und ich trage ihn nie.“
„Oh, Tante Agnete!“ Ehe ich noch selbst wußte, was ich tat, war ich ihr um den Hals gefallen und drückte sie stürmisch. „Ein Pelz! Ein richtiger Pelzmantel! Oh, Tantchen, du bist ja verrückt – oh, Verzeihung!“
„Na – kein Grund zur Aufregung. Schön, daß er dir paßt. Ich habe ihn mir vor vielen Jahren mal als Reisepelz machen lassen. Der Schnitt ist jetzt gerade wieder modern.“
Ich kam mir unbeschreiblich vornehm vor, als ich die Treppe hinunterging und in Direktor Lindengs flotten Sportwagen stieg. Er war munter und guter Dinge und redete abwechselnd von seinem Töchterchen und von den Pferden.
Die Pferde waren bildschön. Auch ein schneeweißes befand sich darunter.
„Das ist für Frau Bogard“, sagte Lindeng, „nur für sie privat! Andere dürfen es nicht reiten. Aber diese fünf hier sollen für den Unterricht verwendet werden. Welches gefällt Ihnen am besten?“
Ich trat zu jedem einzelnen Pferd in die Box, klopfte und streichelte es. Am längsten verweilte ich bei einer dunkelbraunen, zierlich gebauten kleinen Stute. Sie sah mich mit großen, ein wenig furchtsamen Augen an, doch ihr feines, samtweiches Maul nahm zutraulich den Zucker aus meiner Hand. Ich mochte sie sofort gern leiden.
„Dieses!“ sagte ich. „Mit diesem hier werde ich bestimmt gut Freund werden.“
„Sie haben einen guten Geschmack“, meinte Lindeng lachend. „Also gut, notieren wir, daß Fräulein Björk vorläufig die Stute Dyveke reitet. – Sagen Sie das Leutnant Thorne, Hansen!“
„Jawohl!“ sagte der Stalljunge Hansen und schrieb es auf.
Nachdem wir uns von den Pferden verabschiedet hatten, gingen wir in eine Bar. Zum erstenmal in meinem Leben betrat ich ein solches Lokal, aber das wagte ich Lindeng nicht zu sagen. Obwohl es in meiner Heimatstadt Oslo viele Bars gibt, war ich noch nie in einer gewesen. Wir hatten ja viele Jahre lang außerhalb der Stadt gewohnt, und außerdem waren unsere Zerstreuungen anderer Art.
„Was möchten Sie haben?“ fragte Lindeng.
„Vielen Dank – ich weiß nicht recht… Bitte etwas, das nicht so stark ist.“
„Ich denke, dann bestellen wir für Sie ein ,Maidens Traum“‘, bestimmte Lindeng. „Sie sehen ohnehin so aus, als seien Sie aus den Mädchenträumen noch nicht ganz heraus“, fügte er mit seinem scharmantesten Beschützerlächeln hinzu.
„Maidens Traum“ war etwas sehr Leckeres mit Schlagsahne darauf. Es schmeckte süß und frisch und nicht die Spur alkoholisch. Ich trank noch einen Cocktail und rauchte drei Zigaretten dazu. Das Rauchen gehörte auch zu den Dingen, die ich mir erst hier angewöhnt hatte, nicht weil ich das Bedürfnis danach hatte, sondern nur weil es die anderen taten. Es hatte sich an den Donnerstagen wie von selbst ergeben, bei den ausgedehnten Kaffeeszenen und abends, wenn die anderen Karten spielten. Die Zigaretten standen überall herum, und irgend etwas wollen die Hände zu tun haben. Ich rauchte jetzt ziemlich regelmäßig, und nach und nach fand ich Geschmack daran.
Direktor Lindeng war liebenswürdig und zu Scherzen aufgelegt, und wir tranken auf die glückliche Zukunft seines neugeborenen Töchterchens. Dann zog er einen Diamantring aus der Westentasche und zeigte ihn mir.
„Wie gefällt er Ihnen?“
„Er ist prachtvoll!“ sagte ich.
„Meine Frau bekam ihn zur Geburt von Klein-Ditlef. Damals war es nur ein
Weitere Kostenlose Bücher