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Aber dann kam der Sommer

Aber dann kam der Sommer

Titel: Aber dann kam der Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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entgegen?“
    „Doch, Tante Hanna! Aber weißt du, sie ist so – so – ich meine, sie ist sehr sittenstreng. Sie ist sehr freundlich zu mir, aber es ist eben diese Art von Freundlichkeit, wie sie die Damen der Heilsarmee den Mädchen entgegenbringen, die sie von der Straße retten wollen. Sie versteht wohl, daß ich es schwer habe, aber sie meint, glaube ich, daß es meine Pflicht sei, dies zu ertragen, als Strafe des Herrgotts für das, was ich getan habe. Niemand denkt daran, daß vielleicht auch Ditlef etwas zu büßen hätte – wenn wir erst darüber sprechen sollen…“
    Else atmete aus. Es war, als stieße sie alles Schmerzliche von sich.
    „Weißt du, es war eigentlich doch gut, sich mal alles vom Herzen zu reden. – Oh, Unni, verzeih, ich habe ja ganz vergessen, dir etwas anzubieten. Steht da nicht eine Schachtel auf dem Nachttisch? – Bitte, bediene dich, wenn du magst!“
    Es war eine Konfektschachtel von einem Format, daß ich nach Luft schnappen mußte. Und ob ich mochte!
    „Ditlef brachte sie vorgestern mit“, erklärte Else. „Konfekt und ein Diamant gehören dazu, wenn ich Kinder bekomme.“
    Wieder diese ruhige, ironisch-gleichgültige Stimme…
    „Du, steht da nicht auch eine Flasche Kölnisch Wasser auf dem Toilettentisch? Nein? Uff, ich weiß nicht, wo ich meine Sachen habe. Dann muß sie wohl im Schlafzimmer stehen.“
    Else läutete nach der Pflegerin und bat, ihr die Flasche zu bringen.
    „Warum, in aller Welt, bist du denn aus dem Schlafzimmer ausgezogen?“ fragte ich, als Schwester Henny gegangen war.
    Else lachte. „Das fragst du noch? Einer von uns mußte doch ausziehen, und da war es klar, daß ich das zu sein hatte. Ich habe alle meine Kinder in diesem Zimmer zur Welt gebracht. Es ist sozusagen die Geburtsstube des Hauses. Ditlef kann nur in dem Zimmer schlafen, an das er gewöhnt ist.“
    „Macht es dir denn nichts aus?“
    „Danach hat noch keiner gefragt“, antwortete Else trocken.
    Die Pflegerin kam und richtete aus, der Herr Direktor ließe grüßen und fragen, ob das gnädige Fräulein hinunterkommen und mit ihm Kaffee trinken wolle.
    „Du kommst nachher noch mal herauf und sagst mir auf Wiedersehen, ja?“ fragte Else und drückte meine Hand.
    „Ja, selbstverständlich!“
    Langsam ging ich die Treppe hinab. Ich hatte mir in den Kopf gesetzt, wie ein Löwe darum zu kämpfen, daß das kleine Mädchen den Namen von Elses Mutter bekommen würde. Aber wie mußte man die Sache anfassen? Was würde Nora an meiner Stelle tun? Als ich die unterste Stufe erreicht hatte, kam mir eine Idee: Ein Mann wie Lindeng war Vernunftgründen nicht zugänglich. Es nützte auch nichts, an sein Herz oder seine Rücksichtnahme zu appellieren. Aber jeder eitle Mann hat einen wunden Punkt: Er hat Angst vor der Lächerlichkeit, Angst davor, komisch zu wirken.
    Als ich das Rauchzimmer betrat, hatte ich meinen Schlachtplan fertig. Ganz entgegen meinen sonstigen Grundsätzen wollte ich diesmal die verwundbare Stelle eines Menschen ausnutzen. Ich wollte lügen, erfinden, intrigieren. Aber wenn es einmal galt, daß der Zweck die Mittel heiligte, so war es hier.
    Mit zwei Glas Likör trank ich mir erst einmal Mut an. Als ich mir die zweite Zigarette anzündete und Herr Direktor Lindeng eben die zwölfte Schmeichelei von sich gegeben hatte – sie galt meinen „aristokratischen Händen“ – , sagte ich so leichthin wie möglich:
    „Soll das Kind wirklich Hanna heißen?“
    „Ja, ich dachte.“
    Ich tat, als müsse ich ein Lächeln unterdrücken. Glücklicherweise bemerkte er es.
    „Warum lachen Sie?“
    Dem Tonfall seiner Stimme war zu entnehmen, daß er sich unangenehm berührt fühlte.
    „Oh, Verzeihung! Habe ich gelacht?“
    „Zumindest gelächelt.“
    „Ach – da fiel mir nur gerade etwas ein.“
    „A penny for your thoughts!“
    Ich tat, als ob ich zögerte. „Vielleicht kann ich es Ihnen sagen… Aber nein, ich kenne Sie doch noch nicht gut genug dazu, darum…“
    „Aber ich bitte Sie, meine Liebe, sind wir denn nicht Freunde?“
    „Ja, natürlich, aber…“
    „Nun hören Sie auf, sich zu drehen und zu wenden, und sagen Sie mir, worüber Sie gelächelt haben.“
    „Nein, nein, es war nur, weil – weil – jemand gestern gesagt hat, daß… Nein, ich will nicht klatschen. Es war dumm von mir, davon überhaupt anzufangen.“
    Bei dem lieben Ditlefmann zeigte sich eine winzig kleine Falte zwischen den Brauen. Er beugte sich vor.
    „Hören Sie mal, kleines Fräulein Unni! Es

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