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Aber dann kam der Sommer

Aber dann kam der Sommer

Titel: Aber dann kam der Sommer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Berte Bratt
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sich sehr darauf freue.
     
    *
     
    Dann wurde es still auf Kollen.
    Ich machte weite Ritte. Und jeden Tag ging ich nach Tangen und holte Milch. Auch zum Dorfkaufmann ging ich, um die notwendigen kleinen Einkäufe zu erledigen, überall begegnete man mir sehr höflich. Kam ich in den Laden, ließ der Kaufmann die anderen Kunden stehen, um mich „persönlich“ zu bedienen. Kleine Kinder mit Einkaufskörben, das Geld in Papier gewickelt in den Fäusten, trippelten ungeduldig hin und her, während ich unter der bescheidenen Auswahl an Schokolade, oder was ich gerade brauchte, das Beste aussuchte.
    Anfangs hatte ich dagegen Einspruch erhoben, vor den anderen bedient zu werden, aber dann gewöhnte ich mich daran. Im Grunde schmeichelt es ja doch der Eitelkeit, wenn so ein Staat um einen gemacht wird.
    Und wenn ich ritt – nicht in meinem braunen Reitkostüm, sondern in rohseidenen Shorts und kurzärmeliger Hemdbluse – , dann knicksten die kleinen Mädchen mit dem Finger im Mund, und die Jungen standen am Wegrand und starrten mir nach. Die Burschen zogen bedächtig die Mützen und sagten guten Tag, und auch die Frauen murmelten eine Begrüßung. Aber es war keine Wärme in ihrem Lächeln und keine Herzlichkeit in der Stimme.
    Nur bei Mutter Kersti war es anders. Sie blieb stets die gleiche. Es war eine Freude und eine Erholung, in ihre Stube zu treten und mit ihr aus den geblümten Tassen Kaffee zu trinken.
    Rune sah ich nur, wenn ich Milch holte. Glücklicherweise hatte er jetzt eine Melkerin bekommen, aber er stand doch immer selbst dabei, in weißem Kittel und weißer Mütze, und maß und wog und nahm Fettproben. Ei war kühl und höflich und irritierte mich schrecklich.
     

     
     
    Doch eines Abends, als ich wieder einmal Milch holte, geschah es, daß Rune nicht dastand und unerträglich kühl war. Er saß selber auf dem Melkschemel und molk so eifrig, daß es im Eimer nur so rauschte. Die Melkerin war krank geworden, und Rune mußte mit der Arbeit allein fertig werden.
    Bei diesem Anblick fühlte ich plötzlich, wie mein Herz den gleichen Freudensprung machte wie damals, als ich die Arbeit der Marie übernahm. Ich sagte kein Wort zu Rune, sondern ging hin, holte mir Schemel und Eimer der Melkerin, setzte mich neben der „Frühlingsblume“ zurecht, einer schönen, großen, rotbunten Kuh, und gleich darauf zischte es auch in meinen Eimer.
    Da sprang Rune so heftig auf, daß sein Schemel hintenüberkippte.
    „Wo, um alles in der Welt, haben Sie denn melken gelernt?“
    „Das kann Ihnen doch ganz gleichgültig sein!“
    Nun war ich die überlegene. Ich arbeitete in voller Fahrt und sandte dabei meine wärmsten und herzlichsten Gedanken zu unserem Nachbarn daheim, der mir so oft erlaubt hatte, zu meinem Vergnügen seine Kühe zu melken.
    Rune sagte nichts mehr. Ich ging von einer Kuh zur anderen, ich filterte die Milch, ich wusch mir jedesmal die Hände, bevor ich das nächste Tier anfaßte – nein, war das ein Spaß!
    „Möchten Sie eine Schürze haben?“ fragte Rune und hielt mir eine hin.
    „Danke!“ erwiderte ich und nahm sie ohne ein weiteres Wort.
    Als wir fertig waren, gab er mir die Hand. „Tausend Dank für Ihre Hilfe, Fräulein Björk! Das war sehr nett von Ihnen.“
    „Pah! Es hat mir Vergnügen gemacht!“
    Er lächelte. Es war das erste Lächeln, das mir galt.
    „Wer hätte gedacht, daß Sie eine so flinke Melkerin sind“, sagte Rune, „bei Ihrem Aussehen!“
    Nanu, war an meinem Aussehen etwas nicht in Ordnung? Im ersten Spiegel, den ich fand, betrachtete ich mich. Gewiß, mein Haar war etwas verstrubbelt. Vielleicht war es hier auf dem Lande zweckmäßiger, ein Band darumzubinden. Meine Lippen waren sorgfältig geschminkt, und die Fingernägel – sie waren lang und spitz und rot lackiert.
    Plötzlich fühlte ich, wie mein Gesicht fast genauso rot wurde.
    Am nächsten Morgen erwachte ich um halb sechs. Ich sprang aus dem Bett, fuhr in meinen alten Overall und knotete mir ein Tuch um den Kopf. Fünf Minuten bewilligte ich mir, um die Nägel kurzzuschneiden und den Lack zu entfernen. Dann hinein mit nackten Füßen in die Sandaletten – fertig und los!
    Rune war gerade in den Stall gekommen. Die Kühe brüllten und waren unruhig.
    „Darf ich heute auch wieder melken?“ fragte ich. „Es hat mir solchen Spaß gemacht.“
    „In Ordnung!“ sagte Rune, und: „Danke!“ fügte er hinzu.
    So molk ich, und nachher half ich, die Tiere zu füttern. Um halb acht saß ich am Küchentisch auf

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