Aber dann kam der Sommer
mußte ihn wieder ausräumen, denn ich hatte die Plätze für die Flakons und die Bürsten verwechselt. Louise schwitzte über der Aufgabe, die Kleider zusammenzulegen, denn es mußte auf eine ganz bestimmte Weise geschehen, damit sie nicht kraus wurden. Ich erbot mich, die Karten für die Autofähre zu besorgen, und bekam zu hören, daß ich dafür in keiner Weise zuständig sei. Das alles geschah übrigens in der Stadtwohnung, wohin wir für ein paar Tage zurückgekehrt waren. Margit war auf Kollen geblieben, und Rune hatte Dyveke in Pension genommen.
Mit großer Erleichterung sah ich die beiden Tanten ins Auto steigen.
Ich versprach, auf Haus und Garten und überhaupt alles bestens zu achten, und so war jedenfalls Tante Agnetes letzte Bemerkung an mich uneingeschränkt freundlich:
„Ich verlasse mich auf dich, Unni“, sagte sie, „und ich freue mich schon darauf, dich in einem Monat wiederzusehen.“
Dann fuhren sie ab.
Die Nacht über blieb ich noch in der Stadt. Als ich mich am nächsten Morgen von Louise verabschiedete, präsentierte sie mir wahrhaftig ein Lächeln. Ob es der Erleichterung über die glückliche Abreise der Tante galt oder der Freude auf den Urlaub, der nun begann, oder ob es wirklich eine Art Sympathie für mich bedeutete, das möchte ich dahingestellt sein lassen.
Ich aber reiste nach Leirstad zurück, leichten Herzens und fröhlicher, als ich es je zuvor gewesen war.
Margit erwartete mich mit einem leckeren Frühstück. Sie hatte auf der Terrasse gedeckt – für mich allein. Da machte ich ein strenges Gesicht und sagte:
„Margit, nun hören Sie mal zu! Wir beide werden nun einen Monat lang allein hier leben. Haben Sie allen Ernstes vor, es die ganze Zeit so zu halten, daß ich meine Mahlzeiten auf der Terrasse einnehme und Sie in der Küche, außer wenn wir Kaffeebesuch von Tangen bekommen?“
Da lachte Margit und holte für sich noch ein Gedeck.
Und damit begann ein Monat, der in meiner Erinnerung fortlebt wie ein wunderschönes Märchen: Frühzeitig aufstehen, Frühstück auf der Terrasse oder, wenn es regnete, in der Küche. Dann brachten wir das Haus in Ordnung, arbeiteten im Garten und sprangen in den See. Margit und ich waren gute Schwimmerinnen, und so hatten wir sehr viel Spaß daran, zu tauchen oder um die Wette zu schwimmen.
Wir pflückten Beeren, kochten Marmelade oder weckten sie ein und genossen dabei so richtig, daß nicht die skeptischen Blicke von Marie und Louise auf uns ruhten. Wir „speicherten Vitamine“, wie Margit sagte, und sprachen geringschätzig und mitleidig von Maries altmodischen und vitaminzerstörenden Kochmethoden.
Wir aßen zeitig zu Mittag, und dann trennten sich unsere Wege. Ich ritt, und Margit besuchte ihre Verwandten und Freunde, oder sie lud sie zu sich ein.
Es waren kaum zwei Tage vergangen, da duzten wir uns.
„Das geht nie und nimmer gut“, meinte Margit, „wir werden wieder auf ,Sie’ umschalten müssen, bevor die gnädige Frau heimkommt.“
„Kommt Zeit – kommt Rat!“ erwiderte ich.
Eines Nachmittags fand ich Margit eifrig damit beschäftigt, sich ein Kleid zu nähen. Beim Anprobieren mußte ich ihr helfen.
„Was hast du denn vor, daß du dich so fein machen willst?“ fragte ich mit Stecknadeln zwischen den Zähnen.
„Morgen ist ein Fest im Schulhaus“, erklärte Margit, „vielleicht hast du Lust mitzukommen?“
Und ob ich Lust hatte! Ich lief ans Telefon und rief zu Hause an. Esther meldete sich, die anderen waren ausgegangen.
„Um Himmels willen, bist du krank, Unni? Ist jemand gestorben?“ fragte Esther. In unserer Familie führt man Ferngespräche nur bei Todesfällen oder ernsten Erkrankungen.
„Nein, aber ich will auf ein Fest“, entgegnete ich. „Liebste Esther, lauf auf den Boden und hol meine Tracht herunter, pack sie ein und schick sie mir per Eilboten, damit ich sie morgen hier habe.“
„Du bist wohl total durchgedreht!“ meinte Esther.
„Tust du es, Esther?“
„Natürlich tue ich es! – Du, Unni, unsere Pussi hat heute vier Junge bekommen. Willst du eines davon haben, wenn du heiratest?“
Wenn ich heirate! Großer Gott, seit Tagen hatte ich nicht mehr an Roar gedacht!
Esther handelte rasch. Es gelang ihr, daß das Paket noch mit dem Abendzug fortkam, und so hatte ich es am nächsten Nachmittag.
Ich besitze eine sehr schöne Tracht, die ich von meiner Großmutter aus Telemark geerbt habe. Bisher hatte ich sie nur zum Nationalfeiertag getragen, aber wenn ich nun zum Fest im
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