Aber dann kam der Sommer
gut und rücksichtsvoll zu mir warst. Wie oft magst Du mich für einen launenhaften, undankbaren Menschen gehalten haben. Aber das bin ich nicht. Die Sache ist nur die, daß mir erst jetzt klargeworden ist, wohin ich gehöre, und das ist nicht zu Dir. Roar.“
Ich kaute an dem Kugelschreiber. Sollte ich ihm schreiben, was ich auf dem Heimweg zu Margit gesagt hatte? „Wenn man eine Zeitlang durch halbe Nächte im Grand-Hotel getrunken und geraucht, oder sich auf Partys mit Champagner in Sofaecken herumgedrückt hat, und morgens mit Kupfergeschmack im Mund und Sägemehl im Gehirn aufgewacht ist, dann fühlt man sich wie reingewaschen nach einem solchen Fest wie heute.“
Nein, Roar würde das nicht verstehen. Also schloß ich meinen Brief:
„Ich schicke Dir die beiden Ringe zurück. Sei nicht böse, Roar. Du findest gewiß ein junges Mädchen aus Deinem Kreis, eine, die zu Dir paßt. Ich habe keinen anderen Grund als – es ist hart zu sagen, aber es ist so: Ich liebe Dich nicht.
Ich wünsche Dir alles Gute. Unni.“
Als der Brief fertig war, schlug es vier Uhr. Ich ging wieder ins Bett, und nun schlief ich ein.
Drei Briefe
„Meine liebe, kleine Unni!
Soeben erhielt ich Deinen Brief. Laß mich gleich vorweg sagen: Ich bin nicht traurig über das, was Du berichtet hast. Zwischen den Zeilen Deiner Briefe in den letzten Monaten habe ich mehr herausgelesen, als Du vielleicht ahnen kannst. Alle Achtung vor Roar Steen – er ist gewiß ein untadeliger junger Mann – , aber Vati und ich hatten schon lange den Eindruck, daß Ihr nicht zueinander paßt. Gleich und gleich gesellt sich gern, das ist ein sehr wahres altes Sprichwort. Wir konnten Dir keinen Schmuck und keine kostspieligen Vergnügungen geben, aber ich glaube, wir haben Dir dafür etwas anderes gegeben: ein harmonisches Elternhaus. Denn wir haben doch ein gutes Heim, nicht wahr? Wie oft haben Vati und ich uns gesagt: Ob Unni wohl Geist, Glück und Harmonie ihres Elternhauses mit in ihr neues Heim nehmen kann? Ich glaube, es wäre Dir nicht geglückt, Unnilein.
Du wirst es nun erst einmal schwer haben bei Tante Agnete. Übrigens kann ich Dir etwas Erfreuliches mitteilen. Ich sah sie kurz, als sie auf der Durchreise hier war. Sie sagte viel Nettes über Dich und betonte, wie froh sie sei, Dich bei sich zu haben. Dabei spielte es offenbar eine große Rolle, daß Du in ihrem Umgangskreis so beliebt bist. Aber ich muß Dir auch sagen, daß sie sich ganz begeistert über Peine Verlobung äußerte, also wird Dein Entschluß wohl eine große Enttäuschung für sie bedeuten. Aber diesen Kampf mußt Du allein durchstehen, wir können Dir nicht helfen. Ja, mein kleiner Schatz, nun will ich schließen. Tor soll mit dem Brief gleich noch zur Post laufen, damit Du ihn morgen hast. Du scheinst es ja auf Kollen wunderschön zu haben. Diese Margit muß ein reizendes Mädel sein. Wie nett, daß Ihr Euch so gut versteht. Grüß sie bitte von uns.
Oh, mir ist so leicht ums Herz wie seit langem nicht. Sei nur ruhig und munter, iß und schlaf ordentlich und freue Dich am Schwimmen und Reiten, Du kleiner Glückspilz!
Die herzlichsten Grüße von Vati und einen lieben Kuß von Mutti.“
*
„Liebe, kleine Unni!
Agnete hat mich Deinen letzten Brief lesen lassen. Ich hoffe, Du hast nichts dagegen. Wir sind beide sehr erstaunt und auch etwas enttäuscht, Agnete wohl mehr als ich.
Außenstehende können wohl nichts zu einer Angelegenheit sagen, die nur zwei Menschen etwas angeht. Aber Du kennst ja Agnete, und so wirst Du begreifen, daß sie augenblicklich nicht gerade heiter ist. Du böses Mädchen, daß du ausgerechnet jetzt eine solche Bombe zur Explosion bringst! Nun bin ich es, die Blitzableiter spielen und sich all die Scheltworte anhören muß, die Dir zugedacht sind.
Agnete wird Dir noch selbst schreiben, aber zum Glück will sie damit warten, bis sich die erste Enttäuschung bei ihr gelegt hat. Schriebe sie jetzt, so würde sie, fürchte ich, recht unbeherrschte Ausdrücke gebrauchen, übrigens geht es ihr zur Zeit gar nicht gut. Der Arzt meint, es sei die Galle. Möglicherweise ist eine Operation notwendig. Aber er will versuchen, das Leiden noch ohne Eingriff auszukurieren.
Ja, meine liebe Unni, ich kann schwerlich etwas dazu sagen, außer, daß Gott Dir helfen möge in dieser schwierigen Zeit, die Du verständlicherweise vor Dir hast. ER wendet alles zum Besten, für Dich und uns alle!
Deine Tante Hanna.“
*
„Liebe,
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