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Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Titel: Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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retten. Dann käme Johann zu ihr zurück.
    Aber es gab etwas, was Marie daran hinderte, zur nächsten Polizeiwache zu fahren und dort eine Anzeige gegen den Freund und seine Frau zu machen.
    Sie war sich nicht sicher.
    War der Junge wirklich Johann? Eigentlich war das doch unmöglich. Die Frau hatte ihn von der Schule abgeholt. Dieser Junge ging also morgens aus dem Haus und besuchte eine Schule. Er bewegte sich völlig frei. Er saß nicht in einem Verließ. Er konnte weglaufen, wenn er wollte.
    Ihr Johann würde weglaufen. Er würde zu seiner Mutter zurückwollen, oder?
    Marie quälte diese Frage.
    Eigentlich hatte sie Angst vor der Antwort.
    Könnte es sein, dass dieser Junge an der Hand der Frau zwar Johann war, aber nicht mehr ihr Johann, das Kind, das Marie liebte? Dass aus ihrem Johann in diesem einen Jahr ein anderer Johann geworden war? Ein fremder Johann. Ein anderes Kind.
    Dann wäre es mir lieber, er wäre tot.
    Dieser Satz schoss Marie durch den Kopf wie ein Blitz. Es graute ihr vor diesem Satz. Sie hasste sich für diesen Satz.
    Und dennoch war es so.
    Marie döste immer nur ein paar Sekunden lang. Zum Schlafen war es zu kalt. Und sie war viel zu unruhig. Sie starrte stundenlang auf die dunklen Fenster des Hauses, in dem Johann lebte. Nun schon seit über einem Jahr.
    Als es am Ende der Straße und in den Lücken zwischen den Häusern zu dämmern begann, waren Maries Hände und Füße gefühllos. Sie zwang sich, sie zu bewegen. Erst ganz langsam – es tat schrecklich weh –, dann immer schneller, zum Schluss geradezu krampfartig.
    Das Blut ergoss sich wie warme Suppe in ihre Extremitäten. Angenehm war dieses Gefühl nicht, aber es gab Marie wieder die Herrschaft über ihren Körper zurück.
    Sie drehte das Autoradio an und hörte die Nachrichten. Erst um fünf, dann um sechs Uhr.
    In dieser Stunde änderte sich nichts. Die Meldungen blieben gleich. Nichts, worüber sich nachzudenken gelohnt hätte. Aber Marie hatte schon lange das Interesse für das Weltgeschehen verloren. Eigentlich schon vor einem Jahr.
    Um sieben Uhr konnte sie die Nachrichten nicht mehr hören, sie suchte klassische Musik. Diese Suche auf der Senderskala machte sie unachtsam. Sie verlor die Umgebung aus dem Blick. Deshalb bemerkte sie nicht, dass sich jemand ihrem Wagen näherte. Er kam von hinten.
    Marie sah ihn erst, als er sich bückte und in das Seitenfenster blickte. Sie erschrak, als der Kopf des Mannes so dicht neben ihr erschien. Ihr Herzschlag beschleunigte sich rasend schnell.
    Marie betätigte den Fensteröffner. »Ist was?«
    Der Alte schüttelte den Kopf. »Nö. Wollte nur nachschauen, ob alles in Ordnung ist.«
    »Ja. Alles in Ordnung.«
    Jetzt erst entdeckte Marie den Dackel, der die Nase zu ihr hoch streckte. Er sah genau aus wie Ludwig, einer von Roberts Hunden. Marie betätigte den Fensterheber – das fehlte noch, dass sie sich von einem Nachbarn, der frühmorgens seinen Hund ausführte, ablenken ließ. Der Alte schaute etwas vergrätzt, ging dann aber zur Freude seines Dackels weiter.
    In der Wohnung brannte ein Licht. Wahrscheinlich wurde in der Küche Frühstück gemacht.
    Marie überlegte, ob sie es wagen könnte, den Motor zu starten. Mit der Autoheizung würde es im Auto etwas wärmer werden. Aber sie wollte nicht noch einen weiteren Anwohner anlocken. Womöglich fühlte sich ein Umweltschützer aufgerufen, gegen den laufenden Motor bei einem parkenden Wagen zu protestieren. Dann würde der Freund aufmerksam werden – und alles war verdorben.
    Marie begann, ihre Bein- und Armmuskeln abwechselnd anzuspannen und zu entspannen. Aber das vertrieb die Kälte auch nicht aus ihrem Körper. Hoffentlich bescherte ihr die durchwachte Nacht im Auto keinen Rückfall. Eine zweite Lungenentzündung konnte sie jetzt nicht brauchen – nun, da sie Johann gefunden hatte.
    Kurz vor acht. Es tat sich was.
    Erst rollte der Golf rückwärts aus der Einfahrt. Der Freund saß am Steuer.
    Als er auf der Straße war, bremste er ab und gab im Leerlauf kräftig Gas. Seine Heizung lief jetzt an und spendete ihm Wärme.
    Offensichtlich wartete er auf jemanden. Ob die Frau mit ihm zur Arbeit fuhr? Dann war der Junge allein zu Hause.
    Maries Herz schlug bis zum Hals. Sie könnte zu dem Haus hingehen und an der Tür läuten. An der Tür läuten und warten, bis der Junge ihr öffnete.
    Marie kamen die Tränen. Ein Bild erhob sich übermächtig vor ihren Augen. Kein Bild. Eine ganze Oper. Sie stand an der Tür des Hauses und drückte auf

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