Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)
verspürte auch nicht den geringsten Impuls, etwas richtigzustellen.
Als Robert zurückkam, wollte er reden. Aber Marie nicht.
Sie ging in ihr Zimmer. Das war das Zimmer, das mal ihr gemeinsames Schlafzimmer gewesen war.
Sie holte Johanns Handy aus dem Versteck und schaltete es ein. Vielleicht rief er ja an. Ihr Sohn.
Marie wartete, bis Robert das Haus verlassen hatte. Dann stand sie auf.
Sie fühlte sich gut. Es war wie kurz vor der Heimkehr nach einer langen Abwesenheit. Sie dachte nicht einmal speziell an Johann, wie ihr nach dem Frühstück auffiel.
Marie machte sich einen Zettel. Es musste wirklich einiges eingekauft werden. Jetzt war die richtige Zeit dazu. Die meisten Leute mussten arbeiten, nur Hausfrauen hatten Zeit, in den Supermarkt zu gehen. Marie liebte es, wenn es dort ruhig und leer war. Man konnte sich besser auf seine Einkäufe konzentrieren und wurde nicht ständig abgelenkt.
Marie parkte den Wagen auf dem Parkplatz hinter dem Markt. Es war Platz genug. Sie konnte es sich aussuchen. Die Einkaufstasche ließ sie im Kofferraum. Sie ging erst in die Bäckerei auf der anderen Seite der Bubacher Hauptstraße. Dort suchte sie sich einen freien Stuhl am Fenster und bestellte einen Milchkaffee. Eigentlich hatte sie schon genug Kaffee getrunken. Aber sie wollte jetzt hier sitzen, auf die Straße hinausschauen und sich entspannen. Wie eine ganz normale Frau – wie eine Frau, deren Mann zur Arbeit und deren Kind in die Schule gegangen ist.
Das tat gut. Marie fühlte sich wie früher. Bevor es passiert war.
Frauen, die zum Einkaufen in die Bäckerei kamen, sahen sie und grüßten sie vom Tresen aus. Marie grüßte immer nur knapp zurück. Eine Nachbarin ließ sich davon nicht abhalten und kam auf sie zu. Aber Marie wollte jetzt keine Gespräche führen. Sie stand auf, ging an der verdutzten Frau vorbei, bezahlte ihren Milchkaffee und stürmte hinaus.
An ihrem Auto angekommen, entschloss sie sich, ihre Einkäufe diesmal nicht in Bubach zu machen. Sie wollte in Ruhe gelassen werden.
Über die Hauptstraße gelangte sie zum Kreisverkehr am Ortsrand. Dort bog sie auf die Bundesstraße ein. Es gab drei Fahrbahnen, und Marie konnte beschleunigen. Hier waren 120 Stundenkilometer erlaubt. Da wenig Verkehr war, kam sie schnell voran.
Nach zehn Minuten sah sie die hohen Fassaden des Supermarktes, der erst vor zwei Jahren am östlichen Rand der Stadt auf freiem Feld errichtet worden war. Marie fuhr alle paar Wochen hierher zum Einkaufen – immer wenn es für sie verlockende Sonderangebote gab.
Sie parkte in der Nähe des belebten Eingangsbereichs und nahm die Einkaufstasche aus dem Kofferraum. Dann holte sie sich einen Einkaufswagen.
Im Supermarkt war es angenehm kühl. Eine unaufdringliche Musiksoße umfing Marie. Sie schloss die Augen und sog die verschiedenen Gerüche ein.
Marie begann mit ihrem Einkauf.
Es war ein feierlicher Akt. Maries Rückkehr zur Normalität. Sie wollte so einkaufen, wie sie früher eingekauft hatte. Mit Hingabe und Ernst. Ohne Hetze, ohne die Nervosität der letzten Monate.
Langsam füllte sich der Einkaufswagen. An der Fleischtheke ließ sie sich beraten; das hatte sie früher nicht getan, ihr waren die Kunden, die die Supermarktangestellten in nutzlose Gespräche verwickelten, auf die Nerven gegangen. Nun strapazierte sie die Geduld der Fachverkäuferin mit ihrer Unwissenheit über die verschiedenen Salamisorten. Aber das gehörte dazu.
Marie ging zweimal den langen Zettel von oben bis unten durch. Sie überprüfte alles, dann schaute sie sich die großen Schilder mit den Sonderangeboten an – obwohl sie wusste, dass es sich selten lohnte.
Schließlich ging sie zur Kasse. Es gab keine Schlange. Sie ließ sich Zeit, als sie die Waren auf das Band räumte, auch beim Zahlen.
Dann schob sie den vollen Wagen, der sich nicht allzu gut manövrieren ließ, hinaus. Sie hatte Probleme, eine Bodenwelle zu überwinden, die verhindern sollte, dass allzu forsche Käufer mit einem Auto oder einem Passanten kollidierten. Ein alter Mann half ihr dabei.
Marie musste sich einen Moment orientieren. Während sie im Supermarkt eingekauft hatte, waren eine ganze Menge Autos dazugekommen. Sie brauchte eine Weile, bis sie den Standort ihres Wagens wiedergefunden hatte. Dann ging sie los.
Marie nahm ihn erst nur aus den Augenwinkeln wahr. Sie war schon fast vorbei. Aber das Signal, das ihr Unterbewusstsein aussandte, war so stark, dass Marie den schweren Einkaufswagen unter Einsatz ihres
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