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Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Titel: Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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hatte sie sowieso keine Chance. Da rollte der Verkehr so schnell, wenn der Freund ihr dort begegnete, würde er sicher schon weg sein, bevor sie überhaupt etwas tun konnte – etwa seine vollständige Autonummer notieren.
    Sie lauerte also auf kleinen Nebenstrecken. Dort konnte er ihr schlechter entweichen.
    Aber er kam nicht.
    Wieder dauerte es Tage. Es war schon Juni, und die Sonne wurde immer kräftiger. Marie dehnte ihre Suche aus – sie durchstreifte nun die Randwohnbezirke der Stadt. Erst im Süden und im Osten. Dann der im weiter weg gelegenen Norden.
    Nichts geschah. Marie ging es etwas besser. Aber sie wusste, dass sie das nicht ewig weitermachen konnte. Entweder würde sie wieder krank werden oder verrückt. Vielleicht war sie auch schon verrückt. Das wäre ja auch kein Wunder, bei allem, was sie durchgemacht hatte.
    Robert hielt sie für verrückt. Er überprüfte den Tachostand und schüttelte den Kopf.
    Aber er sagte nichts. Noch nichts. Wenn er erst mitbekam, dass ein Großteil des Haushaltsgeldes für Benzin draufging, würde sich das ändern.
    Marie wusste nicht mehr weiter. Sie wollte aufgeben. Zum ersten Mal. Und aufgeben hieß nicht einfach nur: nicht mehr mit dem Auto durch die Gegend fahren. Aufgeben hieß: alles aufgeben. Auch das Leben.
    Sie konnte gerade noch abbremsen. Ein flinker kleiner Fiat hatte ihr die Vorfahrt genommen. Er war einfach aus einer Einfahrt herausgeschossen, ohne nach links und rechts zu schauen. In dieser einsamen Wohnstraße der Stadtrandsiedlung, in der Marie sich gerade befand, fuhr auch um diese Zeit selten jemand. Dennoch konnte man nicht einfach aus einer Ausfahrt herauspreschen, ohne auf den fließenden Verkehr zu achten. Maries Herz pochte: Wenn etwas passierte wäre, hätte Robert sicher verrücktgespielt. Er hätte wissen wollen, was sie in diesem nördlichen Teil der Stadt machte.
    Marie fuhr rechts ran, löste den Sicherheitsgurt und atmete durch.
    Da sah sie den Wagen. In der Ausfahrt gegenüber. Eine sehr enge Ausfahrt. Der Wagen stand ganz am Ende. Wenn Marie durch den Rowdie nicht zum Anhalten gezwungen worden wäre, hätte sie ihn niemals entdeckt.
    Es gab keinen Zweifel. Er war es. Der Wagen des Freunds. Ein hellblauer Golf. Und wenn Marie ihre Augen sehr anstrengte, konnte sie auch die beiden Zahlen im Kennzeichen ausmachen, nach denen sie wochenlang gesucht hatte: die Vier und die Acht.
    Marie nahm sich Urlaub. Robert sagte sie nichts davon. Im Verpackungsmittelbetrieb schauten sie irritiert – Marie hatte in der schweren Zeit der Suche nach dem verschwundenen Johann so viele Tage gefehlt, dass sie es sich eigentlich nicht erlauben konnte, jetzt, kurz nach ihrer Krankschreibung, schon wieder für längere Zeit der Arbeit fernzubleiben. Aber was wollten sie im Betrieb machen? Sie konnten einer Mutter, deren Kind entführt worden war, ja schlecht die Zeit ihrer Abwesenheit vorrechnen.
    Sie verließ wie immer morgens das Haus – Robert sollte glauben, dass sie zur Arbeit fuhr. Marie brauchte den Wagen. In ihm war sie geschützt. Aus ihm heraus konnte sie das Anwesen, das der Freund bewohnte, beobachten, ohne selbst entdeckt zu werden. Zudem lag das Haus viel zu weit von Bubach entfernt. Wenn Marie richtig nachgerechnet hatte, waren es fast dreißig Kilometer. Man musste die halbe Stadt umfahren. Mit dem Rad würde sie viel zu lange brauchen – zumal sie sich nach der Lungenentzündung immer noch nicht ganz fit fühlte.
    Marie fragte Robert nicht nach dem Wagen. Sie nahm ihn sich einfach. Er protestierte nicht. Er ging jedem Streit aus dem Weg.
    Sie suchte sich einen günstigen Platz, von dem aus sie das Haus gut sehen konnte, ohne selbst gleich entdeckt zu werden. Das war in der Gegend, in der die Anwohner Garagen auf ihrem Grundstück hatten und selten Fremde an der Straße parkten, nicht ganz einfach. Zum Glück gab es in der Nähe des Hauses eine Verkehrsinsel. Sie war begrünt und verdeckte Maries Wagen ein wenig.
    Sie hatte sich eine Thermosflasche mit Kaffee mitgenommen, ein belegtes Brot und einen Band mit Gedichten. Etwas anderes konnte sie sowieso nicht mehr lesen.
    Der Golf war weg. Aber Marie spürte, dass sich noch jemand im Haus befand.
    Sie wartete.
    Es wurde fast Mittag, als sich etwas tat. Eine Frau trat aus dem eineinhalbstöckigen Einfamilienhaus, einem rotbraunen Klinkerbau mit großen Fenstern. Es war die Frau, die Marie am Fluss gesehen hatte. Die Frau des Freundes. Sie lief in kleinen Schritten zur Straße. Dort schaute sie sich

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