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Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Titel: Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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öffnete Lore doch die Tür so weit, dass sie beide eintreten konnten.
    Es war eine saubere, etwas altmodisch, aber gediegen eingerichtete Wohnung. Viel Holz, auch an den Wänden, Teppichböden, überall Kissen und Deckchen. Es roch eigenartig.
    Marie hatte ihre Probleme mit dem Geruch fremder Wohnungen. Sie konnte die letzten beiden Essen riechen, sie konnte riechen, womit geheizt wurde, sie roch, wenn Haustiere vorhanden waren.
    Aber in dieser Wohnung gab es keinen Essensgeruch, und Marie konnte auch nicht riechen, womit sie heizten. Haustiere waren ebenfalls keine da. Was Marie aber den Atem nahm, war ein feiner Hauch von Moder. Überall lagen Trockenblumen. Wahrscheinlich war es das.
    Aber Trockenblumen hatten viele Menschen. Hier war noch etwas anderes. Der Geruch von Verfall. Marie kannte etwas Ähnliches aus den Wohnungen sehr alter Leute.
    »Einfach durchgehen«, flötete Lore. Jetzt erst sah Marie, dass sie Straßenschuhe trug. Schnallenschuhe, die aber so blitzsauber waren, als hätte Lore noch nie das Haus damit verlassen.
    Lore breitete die Arme aus, machte sich dünn und schlüpfte zwischen Marie und Robert durch zu einer Glastür. Dahinter lag das Wohnzimmer. Überladen mit Ansichten von untergehenden Sonnen und schneebedeckten Landschaften, ein paar Bücher, offensichtlich Deko, und unendlich viele dicke Kissen. Sicher trug Lore dafür die Verantwortung. Sie wollte, dass es in ihrem neuen Heim gemütlich war. Marie verstand das – aber diese Kissen! In allen Farben und Formen. Nichts war aufeinander abgestimmt.
    Jetzt kam ein vertrauter Geruch dazu, der den Moder etwas abschwächte: frisch gekochter Kaffee.
    Der Wohnzimmertisch war ausgezogen und großzügig für fünf Personen gedeckt. Mit Platztellern und grünen Plastikkränzen.
    »Tee oder Kaffee?«, wollte Lore aufgeräumt wissen.
    »Ich nehme Kaffee«, verkündete Robert. Wie es seine Art bei Besuchen war, begann er ungebeten, sich die Wohnung der Gastgeber anzuschauen. Er wanderte erst an der Bücherwand entlang, wobei er sich, wie Marie wusste, nicht im Geringsten für Bücher interessierte. Dann streckte er den Kopf durch die offene Tür, die in einen Wintergarten führte, und versuchte einen Blick in die angrenzenden Räumlichkeiten zu erhaschen.
    »Wisst ihr was?«, fragte Lore, die schmalen Hände vor dem Bauch reibend. »Wir trinken erst gemütlich Kaffee, anschließend veranstalte ich eine Führung.«
    »Habt ihr den Wintergarten selbst gebaut?«, fragte Robert – eine Frage, die wiederum typisch für ihn, den Hobbybauern und Handwerker, war.
    »Teils, teils«, antwortete Lore bemüht. Irgendwie war auch sie nervös. Sie wartete darauf, dass ihr Besuch endlich Platz nahm.
    »Und seid ihr zufrieden?«, fragte Robert.
    »Womit?«
    »Mit dem Wintergarten. Nimmt er euch nicht zu viel Wärmeenergie weg?«
    Lore suchte nach einer Antwort. Offensichtlich war sie mehr für den Haushalt zuständig und weniger für das Haus.
    Marie hörte sowieso nur mit halbem Ohr zu. Ihr Blick schweifte von Tür zu Tür. Wo war der Hausherr? Hatte er Lore das Terrain überlassen und war verschwunden? Marie durchzuckte ein Gedanke: War er womöglich misstrauisch geworden? Sicher beobachtete er jeden Schritt seiner neuen Frau genau. Und dass die Annäherung mit der Unfallgegnerin überraschend schnell ging, musste ihm doch aufgefallen sein.
    Vor allem aber: Wo war der Junge? Fünf Gedecke. Er musste zu Hause sein.
    »Ich denke ja auch schon lange daran, einen Wintergarten anzubauen«, erklärte Robert, während er endlich Platz nahm. »Vor allem, um Pflanzen ins Haus zu holen, die sonst ein Gewächshaus bräuchten. Aber ich mache mir noch Sorgen um den Wärmeverlust, den so ein Anbau verursacht. Deshalb würde ich liebend gerne mal mit jemandem darüber reden, der da schon eigene Erfahrungen gesammelt hat.«
    Lore stand hinter ihrem Stuhl, umfasste krampfhaft die Lehne und dachte nach. Dann sagte sie mit einem aufgesetzt wirkenden Lächeln: »Ich glaube, da bin ich die Falsche.« Sie warf Marie einen Hilfe suchenden Blick zu. »Am besten ist, ich hole Tom. Der weiß da besser Bescheid.«
    Marie kam es so vor, als würde Lore geradezu aus dem Wohnzimmer fliehen.
    Sie nahm neben Robert Platz. Er lächelte. Irgendwie schien er sich hier wohlzufühlen. Marie schlug der Muff aufs Gemüt. Vielleicht war es aber auch nur die Nervosität.
    »Merkst du nicht, dass du sie verunsicherst?«, fragte sie.
    Robert schaute sie groß an. »Ich? Ich könnte ihr Vater sein. Oder

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