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Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition)

Titel: Aber Mutter weinet sehr: Psychothriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Brenner
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bedeutungsvoll. Dann sagte er, als wollte er den Gastgeber etwas aufheitern: »Die Torte – die ist ’ne Wucht.« Er wandte sich an Marie: »Willst du dir nicht das Rezept geben lassen?«
    Was bildete Robert sich ein? Dass Marie sich stundenlang in die Küche stellte und Torten für ihn machte? »Ich glaube, so etwas überlasse ich dem Konditor. Der kann das etwas besser.«
    »Ohhh«, sagte der Freund. »Höre ich da eine versteckte Kritik?«
    Marie sehnte sich danach, dass Lore an den Tisch zurückkam, dann hatte sie es einfacher. »Die Torte ist großartig. Wirklich. Aber ich fürchte, ich habe für so etwas kein Talent.«
    Tom lehnte sich zurück und lachte breit. »Aber das braucht man nicht. Das ist ebenso einfach wie Spaghetti kochen. Man muss nur die Angst davor verlieren.«
    Marie fiel auf, dass der Freund es jetzt vermied, sie direkt anzusprechen. Ebenso wie sie. Also waren sich beide nicht so sicher, ob sie sich siezen oder duzen sollten. Marie war das recht.
    Zum Glück hörte sie Lore die Treppe herunterkommen. Sie schob den Jungen herein.
    Tom sprang auf. »Und? Hast du das letzte Level auch noch geschafft?«
    Seine Begeisterung war echt, das sah Marie ihm an.
    Tom schien die Erwachsenen völlig vergessen zu haben. Für ihn gab es nur noch diesen Jungen; er schien mit ihm allein auf der Welt zu sein. Marie sah, dass Toms Augen strahlten.
    Kevin zögerte, an den Tisch zu treten. Er war verlegen.
    Ein schmaler Junge mit fein geschnittenem Gesicht, wirren, braunen Haaren und dunklen Augen. Etwas klein für sein Alter, aber robust und sportlich.
    Er glich Johann. Aber er war nicht Johann. Man konnte sie eigentlich auch nicht miteinander verwechseln. Kevins Gesicht war babyhaft, seine Nase klein, seine Lippen waren dünn. Johann sah etwas älter aus, älter und intelligenter. Zumindest fand Marie das.
    Seine Mutter schubste ihn in den Rücken. »Nun mach schon, du Stoffel, sag ›Guten Tag‹!« Lore klang dabei aber freundlich. Sie war stolz auf ihren Jungen.
    Der Junge ging vorsichtig auf die Besucher zu. Er gab Marie die Hand. Sie war weich und kalt. Ganz anders als die von Johann: Dessen Hände hatten sich immer warm und fest angefühlt.
    »Ich bin Marie.« Sie hatte einen Frosch im Hals.
    Robert war noch befangener. Er schüttelte dem Jungen nur die Hand und bemühte sich zu lächeln, was ihm aber nicht gelang. Sicher erinnerte Kevin ihn an Johann.
    Der Junge ließ Roberts Hand los und drückte sich an Tom.
    Sofort wirkte er gelöster. Er schaute an Tom hoch. Tom schaute zu ihm herunter. Die beiden lächelten sich an. Sie mochten sich. Das sah man. Sie waren ein Herz und eine Seele.
    Lore klatschte in die Hände. »Nun aber los! Tom hat sich solche Mühe gegeben.«
    »Tom macht die beste Torte der Welt«, sagte Kevin mit einem Stimmchen, das zum Lachen reizte.
    Gott sei Dank, dachte Marie, Gott sei Dank sagt er nicht »Vater« zu dem Freund. Das hätte alles sehr viel schwieriger gemacht.
    Sie aßen Torte und sprachen über die Dinge, über die man beim Sonntagnachmittagskaffee spricht. Nach dem Kaffee wurde abgeräumt, dann brachte Tom Gläser, und sie tranken Wein. Lieblichen Mosel. Nicht gerade Maries Fall; sie mochte lieber trockenen Italiener. Aber zur Torte passte der Mosel einfach besser.
    Sie prosteten sich zu, und alle wirkten zufrieden. Alle – außer Marie. Sie hatte das Gefühl, auf offener Bühne zu sitzen.
    Lore gab sich Mühe, das Gespräch in Gang zu halten. Tom war vor allem mit Kevin beschäftigt. Er neckte ihn ständig. Kevin fiel auf jeden Scherz herein und tat dann so, als würde ihn das ärgern. Marie spürte aber, dass der Junge das Spiel genoss.
    Wenn man Tom und Kevin unbefangen zusah, hätte man meinen können, man habe es mit einem in seinen Sohn vernarrten Vater und einem dem Vater blind ergebenen Sohn zu tun. Marie schockte diese Einsicht. Sie war nicht das, was sie erwartet hatte.
    Konnte es sein, dass sie sich täuschte?
    Als er sich streckte und das Hemd hochrutschte, fiel Maries Blick auf Toms Armgelenk. Er trug die Uhr.
    Die Uhr des Freundes. Die alberne Himbeeruhr. Marie hatte sie nicht vergessen.
    Das Fruchtbonbon. Eine Kinderuhr mit Tieren als Stundensymbole.
    Dieser Mann, der so liebevoll mit dem Sohn seiner Lebensgefährtin umging, als wäre Kevin sein eigenes Kind, war der Freund. Und er hatte Johann auf dem Gewissen.
    »Warum habt ihr beide keine Kinder?«, fragte Lore.
    Mit der Frage war sie mitten in ein anderes Thema geplatzt. Alle schwiegen.
    Lore schaute

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