Abgeferkelt: Roman (German Edition)
Kosmetikerin uns mehr Schwierigkeiten macht, als sie uns abnimmt.«
»Ach was, wir testen sie einfach mal aus. Und wenn sie wirklich so unterbelichtet ist, wie du befürchtest, bietet die harte Schule des lokalen Journalismus viele Möglichkeiten, um jemanden ganz schnell wieder loszuwerden.«
»Und was schwebt dir da so vor?«
Manolo lehnte sich zurück und lächelte diabolisch. »Abwarten.«
5.
S hopping in Grümmstein machte ungefähr so viel Spaß wie ein Bummel durch Chemnitz, als es noch Karl-Marx-Stadt hieß. Diese Erkenntnis kam Kati zwei Tage nach ihrer Ankunft in der Lüneburger Heide, als ihr Make-up von Clinique zur Neige ging. In der naiven Annahme, dass so eine Tube schnell zu ersetzen wäre, radelte sie am Ufer des Flüsschens Grümme in Richtung Altstadt. Seit ihrer Kindheit hatte sich der Ort wenig verändert: Noch immer prangte das Schild mit der Aufschrift »Kieken, köpen, klönen in Grümmstein« neben dem mittelalterlichen Stadttor, und noch immer reihte sich ein aufwendig restauriertes Giebelhäuschen an das andere. Es gab einen Marktplatz, eine barocke Stadtkirche und eine öffentliche Bücherei. Einen Springbrunnen, ein zartrosa getünchtes Rathaus und einen Gemeindesaal für Konzerte, Feste, Theateraufführungen. Doch weder das viele Kopfsteinpflaster noch die warme Sommersonne, die das alles in ein ausgesprochen freundliches Licht tauchte, konnten Kati eine Sekunde lang darüber hinwegtäuschen, in was für einer gottverlassenen Gegend sie sich hier befand. Und sosehr sie es zunächst auch zu schätzen wusste, sich in der winzigen Fußgängerzone an einem Samstagmorgen freier bewegen zu können als auf der stets überfüllten Frankfurter Zeil, so schockiert war sie, feststellen zu müssen, dass es weit und breit keine anständige Parfümerie gab, die diesen Namen auch verdiente.
Was sie stattdessen vorfand, war die »Drogerie Ehlers« – ein Geschäft mit vergilbten Fotografien im Schaufenster und einer schrillen Ladenglocke über der Tür.
Gleich beim Eintreten schlug Kati der Geruch von kölnisch Wasser und Fichtennadeln entgegen. Grelles Neonlicht ließ den Verkaufsraum mit den übersichtlich bestückten Regalen kalt und steril wirken, und auf dem leberwurstgrauen PVC-Belag verursachte jeder ihrer Schritte ein quietschendes Geräusch.
»Moin«, schlug es Kati entgegen, bevor sie auf dem Absatz kehrtmachen und fliehen konnte. »Se wünschen?«
Bedrohlich ragte Erna Ehlers’ gewaltiger Busen über der Kasse hervor. Seitdem der große Drogeriemarkt am Stadtrand eröffnet hatte, stand es mit ihren Umsätzen nicht zum Besten. Doch nach mehr als vierzig Jahren im Verkauf würde sie ganz sicher nicht klein beigeben, bloß weil die Konkurrenz plötzlich meinte, außer Seife und Rasierschaum auch noch kaltgeschleuderten Bio-Honig verkaufen zu müssen. Diesem neumodischen Kram hatte sie einiges entgegenzusetzen: Kompetenz, Geschäftssinn und Franzbranntwein. Sechs Euro neunundneunzig die Vierhundert-Milliliter-Flasche – so weit das Angebot der Woche. Doch bevor sie den Mund öffnen und es anpreisen konnte, erklang das Gurgeln einer Wasserspülung aus dem hinteren Bereich des Geschäfts.
»Erna, bring mir den Pümpel! Das Klo ist schon wieder dicht!«
»Ich hab Kundschaft!«, bellte sie zurück, bevor ihr Blick sich wieder auf Kati richtete. »Ja, was is’ denn nu?«
»Öhm, tja …« Eingeschüchtert trat Kati von einem Fuß auf den anderen. »Führen … führen Sie Clinique?«
Ernas Augen verengten sich zu Schlitzen. »Was fehlt Ihnen denn?«
»Das Continuous Coverage Make-up, und zwar in der Nuance Creamy Glow. Wenn’s geht, mit Sonnenschutzfaktor.«
Sekunden verstrichen. »Und dafür wollen Se ins Krankenhaus?«
»Krankenhaus? Wieso Krankenhaus?«, fragte Kati verdattert zurück.
»Haben Se nicht gerade was von Klinik gesagt?«
Okay, dachte Kati. Hier musste offensichtlich noch Pionierarbeit geleistet werden. »Cli-nique«, wiederholte sie, wobei sie die letzte Silbe überdeutlich betonte. »Eine Kosmetikmarke. Mintgrüne Verpackung, silberne Schrift. Haben Sie so was im Sortiment?«
»Wir haben nur, was da steht«, entgegnete Erna mit einer Dienstleistungs-Bereitschaft, wie sie einst hinter dem Eisernen Vorhang gepflegt wurde.
Trotzdem riskierte Kati einen Blick auf das Regal. »Da steht nichts von Clinique.«
»Wahrscheinlich, weil wir nichts dahaben.«
»Daran wird’s wohl liegen. Vielen Dank jedenfalls.« Sie wollte sich abwenden und gehen, als Ernas
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