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Abgeferkelt: Roman (German Edition)

Abgeferkelt: Roman (German Edition)

Titel: Abgeferkelt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Hackenberg
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durchdringende Stimme sie zurückhielt.
    »Wie wär’s denn mit Franzbranntwein?«
    »Äh – ich weiß nicht …«
    »Sechs Euro neunundneunzig für vierhundert Milliliter. Is’ ’ne Gelegenheit.«
    »Das glaube ich. Aber – wofür braucht man so was?«
    Erna sah sie an, als käme sie von einem anderen Stern. »Na, zum Einreiben natürlich. Bei Muskelkater. Oder zum Inhalieren, wenn Se mal erkältet sind. Mit Franzbranntwein im Haus sind Se für alles gerüstet.« Sie senkte ihre Stimme zu einem vertraulichen Flüstern. »Und in die Klinik müssen Se dann auch nicht mehr so schnell.«
    Kati, die mittlerweile alles getan hätte, um irgendwie aus diesem Laden rauszukommen, gab sich geschlagen. »In Ordnung, ich nehme eine Flasche.«
    »Wenn Se drei kaufen, gebe ich Ihnen eine umsonst dazu.«
    »Meinetwegen.«
    Die Menschen in Grümmstein, so viel dämmerte ihr auf dem Rückweg, waren von einem ganz besonderen Schlag. Langsamer, als sie es aus der Großstadt kannte, und doch schienen sie unbeirrt ihr Ziel zu verfolgen. Kati war sich nicht sicher, ob sie das nun beängstigend oder sympathisch finden sollte.
    Ihre neue Wohnung lag unweit des Grümmeufers im fünften Stock eines adretten Mehrfamilienhauses. Verglichen mit dem, was sie in Frankfurt gezahlt hatte, war die Miete hier unfassbar billig. Doch obwohl Kati jetzt den Luxus von siebzig sonnendurchfluteten Quadratmetern ihr Heim nannte, war sie nicht ganz glücklich: Sie hatte noch nie allein gelebt und fürchtete sich vor der Einsamkeit. Zwar war ihr Bruder mit nach Grümmstein gekommen, um ihr beim Aufbauen der Möbel zu helfen. Doch Micha würde in wenigen Tagen wieder abreisen, und vor der Zeit danach hatte sie Angst. War es doch keine so gute Idee gewesen, überhaupt herzukommen? Schon übermorgen trat sie ihren Dienst bei der Grümmsteiner Zeitung an, und Kati bekam vor lauter Nervosität Magenflattern, sobald sie daran dachte. Was, wenn alles schiefging, wenn sie sich als komplett unfähig erwies, jemals über etwas anderes zu schreiben als über Kosmetik? Das würde bedeuten, dass Friedrich Amberg recht gehabt hätte. Und diesen Triumph wollte sie ihm eigentlich nicht gönnen.
    Verzagt stieg Kati die Treppenstufen zu ihrer Wohnung nach oben, schloss die Tür auf und fand Micha im Flur vor, wo er auf einer Leiter stand und eine Lampe anschraubte.
    »Womit schleppst du dich da ab?«, erkundigte er sich und deutete auf ihre schwere Tüte. »Was Essbares?«
    »Nee, Franzbranntwein.«
    »Ach. Und wozu brauchen wir das Zeug?«
    »Frag nicht.«

6.
    O hne irgendwo im Stau stecken zu bleiben, erreichte Kati am ersten Arbeitstag ihr Ziel, den Amberg Verlag. Und zwar innerhalb von zehn Minuten – reichlich ungewohnt für jemanden, der sich die letzten dreizehn Jahre durch den Frankfurter Berufsverkehr gequält hatte. Doch da es in der norddeutschen Tiefebene einfach nicht genug Ampeln gab, brachte dieser störungsfreie Verkehrsfluss auch Nachteile mit sich: Schließlich konnte Kati kaum einen Zwischenstopp einlegen, um sich den Lippenstift im Rückspiegel nachzuziehen.
    Daher steuerte sie ihren Polo nun mit unvollendetem Make-up um das Verlagshaus, entdeckte die Einfahrt zum Redaktions-Parkplatz, von dem Buddington ihr erzählt hatte, und setzte den Blinker. Dabei registrierte sie, dass der Kombi vor ihr ebenfalls nach rechts zum Parkplatzgelände abbiegen wollte. Sie lächelte. Vielleicht war das bereits einer ihrer neuen Kollegen.
    Geduldig wartete sie, bis der Fahrer vor ihr an der Schranke hielt, die den Zugang zum Grundstück versperrte. Sekundenlang passierte nichts, dann wurde eine schmale Hand an der Fahrerseite zum Fenster hinausgestreckt, die eine Chipkarte in den Schlitz neben der Sprechanlage schob. Die Schranke schnellte nach oben, der Kombi-Fahrer gab Gas, und Kati schoss hinterher. Geschafft, sie war drin. Und das, ohne an der Sprechanlage langwierig um Einlass bitten zu müssen.
    Allerdings war der Parkplatz nicht sonderlich groß und noch dazu vollgestopft mit Fahrzeugen, wie Kati kurz darauf ernüchtert feststellte. Aber immerhin: Dahinten, in der Ecke links neben dem Kastanienbaum, war noch eine freie Lücke. Und auch rechts vor ihr, zwischen dem Jeep und dem Kleinbus, war noch etwas frei, doch dieser Stellplatz sah extrem schmal aus. Und jetzt? Das schien sich der Fahrer im Kombi auch zu fragen, denn der blieb unschlüssig und mitten auf dem Weg stehen, so dass Kati keinerlei Chance hatte, an ihm vorbeizufahren.
    »Na, los, mach schon«,

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