Abgeferkelt: Roman (German Edition)
ihrer Mutter hertapsen zu sehen und zu wissen, dass sie in ein paar Wochen gespickt und verspeist sein würden.
»Wollten Se nich’ fotografieren?«, fiel es Hinnerk plötzlich ein. »An Ihrer Stelle würd’ ich jetzt loslegen, das Licht is’ gerade günstig.«
Kati kam seiner Aufforderung schleunigst nach. Je eher sie hier fertig wurde, desto besser. Hastig fingerte sie die Digitalkamera aus der Tasche, schlang sich den Riemen um den Hals und hielt nach den Ferkeln Ausschau. Doch die waren gerade dabei, sich kreuz und quer über die ganze Koppel zu verteilen. »Könnten Sie die Tiere vielleicht ein bisschen zusammentreiben?«
»Wo denken Se hin, wir sind hier nich’ im Zirkus!«, meinte Hinnerk, rief aber trotzdem nach dem Muttertier und zog ein paar weitere Brocken Trockenfutter hervor, mit denen er lockend so lange vor Emmas Steckdosen-Schnauze herumwedelte, bis auch das Interesse der Ferkel geweckt war. Eines nach dem anderen tollten sie durch den Matsch, bissen sich dabei gegenseitig ins Ohr oder kugelten vergnügt durch den Schmodder. Ihr Bewegungsdrang war so ungebremst, dass es Kati nahezu unmöglich war, ein gestochen scharfes Bild zu schießen. Ohne den Sucher der Kamera vom Auge zu nehmen, folgte sie den Tieren auf Schritt und Tritt über die Weide.
»Vorsicht!«, warnte Hinnerk plötzlich. »Da liegt ein Stück Plastikplane auf dem Boden. Da können Se leicht …«
Zu spät. Mit den glatten Sohlen ihrer High Heels schlitterte Kati über das feuchte Plastik, als wäre es blankes Eis. Die Kamera glitt ihr aus den Händen, baumelte unkontrolliert an ihrem Hals. Mit beiden Armen rudernd versuchte Kati, ihr Gleichgewicht wiederzufinden, scheiterte jedoch und schlug der Länge nach in den Matsch.
»… ausrutschen«, vollendete Hinnerk noch seinen Satz, während Emma, das Mutterschwein, neugierig näher kam. Und als wäre das noch nicht genug, hob Kati just in dem Moment den Kopf, als das Tier zu einem patschnassen Nieser ansetzte. »Meine Wimperntusche!«, war ihr letzter Gedanke, bevor ihr der feuchte Glibber in die Augen tropfte. Dann erkannte sie nichts mehr. Und das war vielleicht auch ganz gut so.
9.
S chlammcatchen. Das kam Manolo Clemens als Erstes in den Sinn, als Kati ihm Stunden später auf dem Redaktionsflur entgegentorkelte. Sie sah aus, als hätte sie sich über drei Runden im Morast gewälzt und dabei einiges eingesteckt: Ihre Haare waren verklebt, die Augen glasig, ihre Klamotten mit getrocknetem Matsch übersät. Sollte sie irgendwann an diesem Tag geschminkt gewesen sein, war jeder Rest davon aus ihrem blassen Gesicht gewischt. Kurz gesagt: Von dem »supergeilen Feger in den scharfen Klamotten«, den seine Kollegen ihm vorhin noch begeistert beschrieben hatten, konnte er beim besten Willen nichts entdecken.
Manolo zögerte. Ob dies der falsche Zeitpunkt war, ihr mitzuteilen, dass der Schweine-Artikel anders als geplant nicht mehr 60, sondern gerade mal 5 Zeilen umfassen würde? Ehrlich gesagt war die ganze Geschichte auf das Niveau einer Bildunterschrift geschrumpft, weil sich aktuell noch ein schöner Wohnungsbrand im Stadtgebiet ereignet hatte: Der Sachschaden lag bei geschätzt 30000 Euro, und alles nur, weil ein Schichtarbeiter mit der Zigarette im Bett eingeschlafen war. Der Mann konnte mitsamt Hund aus dem brennenden Haus gerettet werden, schwor nun dem Rauchen ab und ließ sich mit dem schlagzeilenträchtigen Satz zitieren: »Heute hat Gott mir mein Leben neu geschenkt.« Dazu ein Bild von der verkohlten Wohnung, ein Hoch auf die Freiwillige Feuerwehr, die mit zwei Löschfahrzeugen im Einsatz gewesen war, und schon ergab das Ganze eine Lokal-Geschichte wie aus dem Journalisten-Handbuch – mit Drama, Gefühl und Haustier.
Doch diese Katharina Margold wirkte derart gebeutelt, dass es ihm ratsam erschien, ihr die geänderte Sachlage so schonend wie möglich beizubringen. »Hallo!«, rief er ihr zu. »Wir haben uns noch nicht kennengelernt. Ich bin Manuel Clemens, der Ressortleiter fürs Lokale.«
Kati blieb stehen, lehnte sich an die nächstbeste Wand und sah wie in Trance zu ihm hoch. Mit einer Verzögerung von etwa fünf Sekunden antwortete sie: »Freut mich. Kati Margold.«
»Sieht aus, als ob Sie einen schweren ersten Tag hatten. Was ist passiert?«
»Frontalbegegnung mit einer Turbo-Sau. Meine Schuhe wurden quasi hingerichtet. Unter streng biologisch-dynamischen Standards. Nicht, dass das ein Trost wäre.«
»Okaaay«, erwiderte Manolo gedehnt. Er verstand kein
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