Abgeferkelt: Roman (German Edition)
Büro zurück und reichte Kati das halbgefüllte Marmeladenglas. »Ich war noch kurz pissen.«
Das Gefäß in ihrer Hand war so warm, dass sie sich im ersten Moment fragte, ob Guido dort vielleicht hineingepinkelt hatte. Aber nein, es war Wasser, so klar und farblos, dass sich das dunkle Männerhaar, das munter darin herumschwamm, nicht übersehen ließ. Sekundenlang starrte Kati vor sich hin und stellte fest, dass der Nagel an ihrem linken Zeigefinger abgebrochen war. Verdammt. Ausgerechnet jetzt, wo sie kein Maniküre-Set dabeihatte! »Moment mal«, sagte sie dann und merkte, wie ihr Verstand wieder anfing zu arbeiten. »Soll das etwa heißen, dass ich heute kreuz und quer durch die Einöde gefahren bin, mir von diesem notgeilen Schweinezüchter einen Sermon über Eber-Sperma angehört und mich im Dreck gewälzt habe, und das alles nur für fünf Zeilen Blabla?! «
Jonas, der bereits halb zur Tür hinaus war, drehte sich mit süffisantem Lächeln zu ihr um. »Sieht ganz so aus. Sonst noch was, Frau Margold?«
Am liebsten hätte sie ihm das Wasserglas an den Kopf geworfen. Doch sie beherrschte sich, straffte die Schultern und schlug so ladylike wie möglich ihre Beine übereinander. Dann fragte sie betont lässig zurück: »Sie haben nicht zufällig eine Nagelfeile bei sich, oder?«
*
Mit einer Avocado in der linken und einem Messer in der rechten Hand stand Kati zwei Stunden später in der Küche ihrer neuen Wohnung. »Dieser Typ ist eine Tellermine«, sagte sie zu Micha, der gerade dabei war, einen Tisch aufzubauen. »Du tippst ihn kurz an, und schon entlädt er eine Ladung Selbstherrlichkeit und Unverschämtheit über dir.« Energisch schnitt sie die Frucht in zwei Hälften. »Wie der mich auf dem Parkplatz behandelt hat! Als wäre ich irgend so ein Dummchen ohne Daseinsberechtigung! Und diesem wandelnden Verkehrshindernis hab ich auch noch geholfen, das Auto abzustellen!«, erboste sie sich.
»Das musst du dir nicht bieten lassen«, entgegnete ihr Bruder und zog die letzte Schraube fest. »Schmeiß ihn raus.«
»Soll ich dir mal was sagen? Ich glaube fast, der will mich rausschmeißen!«
»Wie? Jetzt echt?«
»Ja! Die Art, wie die heute in der Redaktion mit mir umgegangen sind, dieser total groteske Termin, zu dem sie mich geschickt haben …« Kati pfefferte den Kern der Avocado in den Mülleimer unter der Spüle. »Irgendwie hatte ich die ganze Zeit das Gefühl, die wollen mich vergraulen.«
»Okay. Aber warum sollten sie?«
»Was weiß ich! Vielleicht ist dieser aufgeblasene Chefredakteur ja sauer, weil ihm einfach eine Redakteurin aufs Auge gedrückt wird, die er sich nicht selbst ausgesucht hat. Oder er hat Verdacht geschöpft und glaubt nicht, dass Friedrich Amberg jemanden wie mich einstellen würde, ohne das vorher mit ihm zu besprechen.«
Nachdenklich spielte Micha mit dem Schraubenzieher in seiner Hand. »Das ergibt keinen Sinn«, sagte er dann. »Wenn die wirklich Lunte riechen würden, wäre es doch viel schlauer, freundlich zu dir zu sein. Kein normaler Mensch gefährdet seinen Job, indem er seinem neuen Chef absichtlich das Leben zur Hölle macht, oder?«
»Wie auch immer.« Kati gab das Fruchtfleisch in eine kleine Plastikschüssel und fing an, es mit der Gabel zu pürieren. »Fest steht jedenfalls, dass diese Typen mich nicht ernst nehmen.« Sie schnappte sich die Flasche mit dem Olivenöl von der Anrichte. »Außerdem legen die einen derartigen Chauvinismus an den Tag, dass ich meine Sachen am liebsten sofort wieder einpacken und nach Hause zurückgehen würde.«
»Nichts da, ich hab doch gerade erst alles aufgebaut!«
Schuldbewusst blickte Kati sich um. »Danke, das ist total lieb von dir. Aber ich fürchte, Friedrich hatte recht: Eine Beauty-Redakteurin ist eben keine echte Journalistin.«
»Und wennschon. Es gibt nichts, was du nicht lernen kannst.« Zufrieden begutachtete Micha den Tisch. »So, der steht. Wir können die Pizza bestellen.«
»Bist du sicher?«
»’türlich. Selbst in dieser Einöde wird es doch wohl irgendwo einen Pizzaservice geben.«
»Ich meine, ob du sicher bist, dass ich lernen kann, eine ernstzunehmende Journalistin zu sein.«
Ihr Bruder sah sie an. »Wenn du endlich mal damit aufhörst, auf dieser Blondinen-Schiene durchs Leben zu fahren, kannst du alles lernen.«
»Was willst du damit sagen?«
»Das weißt du ganz genau. Seit dem Tag deiner Geburt hat Mama dich ausstaffiert wie die Puppen auf ihrem Sofa. Du warst immer so süß und niedlich,
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