Abgeferkelt: Roman (German Edition)
und die Absätze blieben bei jedem zweiten Schritt in der Erde stecken. Es waren ihre Lieblingsschuhe, und Kati betete im Stillen, dass sie diese unfreiwillige Landpartie ohne bleibende Schäden überlebten. Leicht verzweifelt blickte sie sich um: Die Koppel lag wie ausgestorben vor ihr, weit und breit war kein Schwein zu sehen. »Ist es noch weit?«
»Die Tiere stehen drüben auf der Nachbarweide, das is’ bloß ’n kurzes Stück.« Hinnerk sah sie von der Seite an. »Se kommen also aus Hessen, ja?«
»Richtig, aus Frankfurt.«
»Echt? Haben es die Banker Ihnen da zu toll getrieben, oder was verschlägt Se hierher in den Norden?«
»Der Job. Als Journalistin kann man sich nicht immer aussuchen, wo man Arbeit findet.«
»Dann sollten Se vielleicht in die Züchter-Branche wechseln. Mich hat noch keiner gezwungen, von Berufs wegen umzuziehen.«
»Beneidenswert«, ließ Kati verlauten. »Aber ich weiß nicht, ob ich mich auf Dauer mit Eber-Sperma anfreunden könnte.«
»Warten Se erst mal ab, bis Se die Ferkel gesehen haben. Wir sind gleich da. Macht Ihnen doch nichts aus, über den Koppelzaun hier zu steigen?«
Auch das noch. Kati blickte an sich herunter. Was, wenn sie sich an diesem rauhen Holzzaun ein Loch in ihre teuren Jeans riss? Auch ihre dünne Seidenbluse war definitiv für andere Locations geschneidert worden als für eine Schweineweide. Doch was blieb ihr anderes übrig? »Das geht schon«, sagte sie, schlang sich den Riemen der Fototasche diagonal über die linke Schulter und begann, das Holzgatter zu erklimmen.
»Wenn Se Hilfe brauchen, sagen Se’s«, bot Hinnerk an, der längst auf der anderen Seite stand und ihr ungeniert dabei zusah, wie sie sich abmühte.
»Wie gesagt, … es … geht … schon …« Ächzend stieg sie erst mit dem einen, dann mit dem anderen Bein über den Zaun, stieß sich ab und versank auf der anderen Koppelseite fast bis zu den Knöcheln im Matsch. Der Boden unter ihren Füßen war so aufgeweicht, dass sie fast den Halt verlor. Brauner, sämiger Schlamm schmiegte sich kühl um ihre Füße und bedeckte die schmalen Riemchen ihrer eleganten Schuhe.
»Scheiße!«, entfuhr es ihr prompt.
»Nee, nee, keine Panik, das is’ bloß Erde.«
»Was auch immer es ist, es ruiniert meine Stilettos!«
»Tja, die können Se wohl wegschmeißen«, stimmte Hinnerk ihr zu und blickte nachdenklich auf ihre Füße. »Solche Schuhe hab ich ehrlich gesagt im ganzen Dorf noch nich’ gesehen. Wo haben Se die denn her?«
»Aus London.«
»Ah, das is’ nich’ gerade um die Ecke. Aber vielleicht finden Se bei Orthopädie-Schulze am Grümmsteiner Markt was Vergleichbares.«
»Das bezweifele ich.«
»Aber der Schulze hat echt Auswahl. Da kauft meine Mutter auch immer, wenn sie was für ’n bestimmten Anlass sucht.«
Kati, die kurz davor war, einen Schreikrampf zu bekommen, entdeckte zu ihrem blanken Entsetzen, dass der Sprung in den Matsch auch ihre Bluse in Mitleidenschaft gezogen hatte: Große, braune Spritzer verteilten sich von der Brust bis zur Schulter. Heute war wirklich nicht ihr Tag. Jetzt bloß nicht durchdrehen!
»Wussten Se eigentlich, dass eine Sau im Durchschnitt 2,3-mal im Jahr abferkelt?«, brachte Hinnerk das Gespräch wieder auf das Thema Schwein. »Die Tragezeit beträgt etwa 114 Tage.«
»Wahnsinn«, entgegnete Kati gereizt und versuchte erfolglos, den Schlamm von ihrem Ärmel zu rubbeln. Höchste Zeit, dass sie dieses Horror-Intermezzo mit den Schweinen hinter sich brachte. »Wo ist denn jetzt Ihr biologisch-dynamischer Turbo-Nachwuchs?«
»Da kommt schon mal das Muttertier, unsere Emma. Ja, meine Gute, natürlich hab ich was für dich.« Gorschlüter zog ein paar Leckerli aus der Hosentasche und warf sie dem wuchtigen, rosa-schwarz gefleckten Schwein hin, das grunzend darüber herfiel. Für die fünf Ferkel, die munter hinterhergetippelt kamen, blieb nichts mehr übrig. »Jedes wiegt etwa acht Kilo, und das nach vier Wochen«, erklärte der Landwirt.
»Tatsächlich?« Kati, die darauf achtete, einen möglichst großen Sicherheitsabstand zwischen sich und den Tieren einzuhalten, runzelte die Stirn. »Was machen Sie mit denen?«
»Verkaufen. An die Schützen-Gilde Eberswachteln. Der Vorsitzende ist Fleischermeister, verarbeitet se zu Spanferkeln und serviert se beim nächsten Schützenfest.«
»Oh.« Kati schluckte. Sie machte sich zwar nicht sonderlich viel aus Tieren, aber es war doch irgendwie traurig, diese Ferkelchen jetzt noch so fröhlich hinter
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