Abgeferkelt: Roman (German Edition)
und blies in das dafür vorgesehene Rohr.
»Vielen Dank – und gleich noch mal, das Ganze«, sagte Dietrichsen.
Sobald Kati ihre zweite Atemprobe abgegeben hatte, fing das Gerät an, die Daten zu berechnen. Da trat der eigens hinzugerufene Tierarzt vom NABU näher, der den Schwan inzwischen untersucht hatte. »Sieht ganz so aus, als ob das linke Schultergelenk des Vogels ausgekugelt wäre«, meinte er. »Ich kann mir eigentlich nicht vorstellen, dass dies durch den Zusammenstoß mit dem Auto passiert sein soll. Wahrscheinlich war das Tier schon vorher verletzt – was auch erklären würde, warum es nicht weglief, sobald der Motor angelassen wurde.«
Kati runzelte die Stirn. »Aber wie schafft es ein Schwan, sich die Schulter auszurenken?«
»Durch eine Hunde-Attacke, zum Beispiel. Das müssen wir noch genauer untersuchen. Ein interessantes Detail habe ich allerdings jetzt schon festgestellt.«
»Und zwar?«
»Der Ring am Fuß des Vogels – der ist bereits im Jahr 1986 angelegt worden. Und zwar in der ehemaligen DDR.« Der Tierarzt lächelte. »Unser Patient ist also Zeitzeuge der deutsch-deutschen Teilung.«
»So, da haben wir die Ergebnisse Ihres Atemtests«, meldete Dietrichsen sich zu Wort und zog einen schmalen Papierausdruck aus dem Atemmessgerät. » A-ha. Die Ethanol-Konzentration liegt weit unter 25 Milligramm.«
»Und – ist das gut?«
»Vollkommen im grünen Bereich, junge Frau. Ich würde mal sagen – da haben Sie ganz schön Schwan gehabt, hehe.«
Kati kam ein Gedanke. »Sagen Sie – könnte ich den Vogel vielleicht fotografieren? Ich bin von der Grümmsteiner Zeitung, wissen Sie …«
*
Zurück in der Redaktion, lief sie als Erstes Jonas über den Weg, der demonstrativ auf die Uhr blickte. »Fast drei Stunden für einen Termin in der Schule? Sie müssen dringend an Ihrem Zeitmanagement arbeiten, Frau Margold.«
»Es war mehr als nur ein Schul-Termin«, widersprach sie und legte ihre Fototasche ab. »Ich hab nämlich noch eine zweite Geschichte mitgebracht.«
»So? Ich bin gespannt.«
»Also, da war dieser Schwan hinter meinem Auto. Und weil ich den beim Ausparken gar nicht gesehen hatte, dachte ich natürlich, ich hätte ihn angefahren …«
»Sie haben es nicht so mit Tieren, oder?«, fragte er dazwischen.
»Würden Sie mir bitte bis zum Ende zuhören? Jedenfalls habe ich gleich die Polizei gerufen …«
»Oh, Gott.«
»Das habe ich auch gedacht. Denn als ich diesen Alkoholtest machen musste, wurde mir wirklich mulmig …«
»Alkohol? Sie trinken tagsüber Alkohol?« Jonas, der mittlerweile sehr gequält aussah, zwang sich, ruhig zu bleiben. »Ich nehme an, dafür haben Sie eine plausible Erklärung?«
»Was erwarten Sie, wenn Sie mich zu Terminen schicken, bei denen ich erst mit Menthol eingenebelt und dann auch noch mit Brandy abgefüllt werde?«, fragte Kati zurück. »Gott sei Dank habe ich an dem Zeug nur genippt.«
»Würden Sie bitte zum Punkt kommen, Frau Margold?«
»Das versuche ich, aber Sie unterbrechen mich ja ständig! Der Tierarzt meinte jedenfalls, dass der Schwan schon vorher verletzt gewesen sein muss. Und jetzt kommt’s!«
»Na?«
»Das Tier ist 1986 beringt worden – und zwar in der DDR. Und jetzt ist es hier bei uns, als Zeitzeuge der deutschen Geschichte. Was sagen Sie nun?«
»Dass es höchste Zeit wird, diese Story zu verfilmen. Einen Titel hätte ich auch schon.«
»Nämlich?«
»Zonen-Schwan macht rüber«, entgegnete er genervt und ließ Kati einfach stehen.
12.
V or dem Fenster ging die Sonne unter, doch Jonas feilte noch immer an den letzten Formulierungen seines Leitartikels. Als das Telefon neben ihm klingelte, sah er widerwillig auf. Das Display zeigte seine Privatnummer an – zu Hause würde doch nichts passiert sein?
»Hallo«, meldete er sich. »Alles in Ordnung bei euch?«
»Wie man’s nimmt«, sagte seine Mutter am anderen Ende der Leitung. »Die Zwillinge haben sich auf der Klassenfahrt eine Magen-Darm-Grippe eingefangen und wetteifern heute schon den ganzen Tag um einen Weltrekord im Erbrechen.«
»Ach du liebe Güte. War der Arzt schon da?«
»Natürlich. Ich fürchte nur, dass sich Sophie bei den beiden Großen angesteckt hat. Zumindest war sie heute Abend ein bisschen grün um die Nase und hat nicht wirklich viel gegessen.«
»Und wie geht es Benny?«
»Auch nicht so besonders. Er hat schon wieder eine Fünf in Mathe mit nach Hause gebracht. Seine Lehrerin hat einen kleinen Brief dazu geschrieben: Mit
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