Abgeferkelt: Roman (German Edition)
oft läuft, verdoppelt sich der Spenden-Betrag.«
»Nette Idee. Wo muss ich hin?«
»Hier ist die Adresse und der Name deines Ansprechpartners.« Manolo reichte ihr einen Zettel über den Tisch. »Nimm die Kamera mit, okay? Und vor allem: Guck unter dein Auto, bevor du ausparkst – nicht dass du noch jemanden umnietest …«
»Keine Sorge«, entgegnete Kati und stand auf.
Diesmal würde nichts schiefgehen, das nahm sie sich jedenfalls fest vor.
Tatsächlich lief alles überaus gut an – das war Kati schon in dem Moment klar, als sie auf dem Sportplatz vom Direktor der Geschwister-Scholl-Schule mit einer sauber abgetippten Pressemitteilung begrüßt wurde. »Hier habe ich aufgelistet, wie viele Kinder teilnehmen und wie unsere Partnerschule in Indien heißt, an die wir das gesammelte Geld überweisen«, so der Pädagoge. »Ich dachte, dann müssen Sie nicht so viel selbst schreiben.«
Vor lauter Dankbarkeit wäre Kati ihm fast um den Hals gefallen. Denn jetzt, wo sie die wesentlichen Fakten ohne mühsames Fragestellen schon einmal beisammenhatte, war ihr Artikel bereits so gut wie fertig. Der Vollständigkeit halber hakte sie aber nach, um herauszufinden, warum die Schule überhaupt einen Sponsoren-Lauf wie diesen veranstaltete: »Damit die Kinder lernen, soziale Verantwortung zu übernehmen«, wer die Idee dazu hatte: »Also, federführend war ich, aber das muss ja nicht in der Zeitung stehen«, und wozu das gesammelte Geld in Indien benötigt wurde: »Die brauchen dringend einen Anbau, außerdem müssen die Toiletten renoviert werden. Schreiben Sie einfach, dass die Spenden für Bauarbeiten eingesetzt werden.«
Derart überschüttet mit Informationen, schlenderte Kati über den Sportplatz. Im Abstand von wenigen Minuten ging jeweils eine neue Schülergruppe zum Staffellauf an den Start, angefeuert von Klassenkameraden und besorgten Müttern, die schon mit Wasserflaschen und Handtüchern auf der Zielgerade warteten. Ein Mix aus Gelächter und Anspannung hing in der warmen Luft, und die schrillen Pfiffe aus den Trillerpfeifen der Sportlehrer folgten Kati über den Platz, während sie sich immer wieder hinkauerte, ihre Kamera zückte und die verschwitzten Gesichter der Jungen und Mädchen fotografierte.
Zum ersten Mal, seit sie in Grümmstein angekommen war, fühlte sie sich rundum wohl. Sie hatte keine Ahnung, wo das plötzlich herkam, aber hier, umringt von Kindern im Sonnenschein, war alles gut so, wie es war. Auch wenn es sich nur um eine Momentaufnahme handelte, die bei ihrer Rückkehr in die Redaktion schlagartig verpuffen würde, fand Kati es zur Abwechslung ganz entspannend, ein paar Minuten lang das Gefühl zu haben, ihrer Aufgabe gewachsen zu sein.
Und so zögerte sie das Ende ihrer Recherchen hinaus, solange es ging: Sie plauderte mit den Religionslehrern, die einen Infostand über die Schule in Indien aufgebaut hatten, ließ sich von vier kleinen Mädchen ihre nagelneuen Glitzer-Zopfspangen vorführen und hörte sich die Litanei des bärbeißigen Hausmeisters an, der sich über die verwöhnten Kinder von heute beschwerte: »Was die in der Halle alles rumliegen lassen! Das hätten wir uns früher mal erlauben sollen. Aber nach 45 hatten unsere Eltern ja nix, ne.«
Schließlich, als die Zeit drängte, wandte sich Kati dem Ausgang zu. Innerlich wappnete sie sich bereits für die nächste Begegnung mit Jonas Larsen, als ihr Blick auf einen kleinen Jungen fiel, der etwas abseits mit gesenktem Kopf auf einer Bank saß. Er hatte die Unterlippe trotzig vorgeschoben, die Beine angewinkelt und spielte lustlos an den Schnürsenkeln seiner Turnschuhe herum. Als Kati näher trat, sah er nicht einmal auf.
»Hallo«, sagte sie und setzte sich einfach neben ihn. »Was machst du hier so alleine?«
»Nichts«, gab er unwirsch zurück.
»Okay.« Als Kind hatte sie es gehasst, wenn nervige Erwachsene ihr nervige Fragen stellten. Darum unterdrückte sie den Impuls, den Kleinen nach dem Motto »Warum spielst du denn nicht mit den anderen?« ins Kreuzverhör zu nehmen. Stattdessen ließ sie ihren Blick über den Platz schweifen und tat so, als ob sie das gerade angelaufene Rennen mit Interesse verfolgte. »Mann, ist der schnell«, murmelte sie vor sich hin, als ein Junge im grünen T-Shirt das Ziel erreichte.
Neben ihr ertönte ein verächtliches Schnauben.
»Wieso, der ist doch schnell«, wiederholte Kati. »Schau mal, die Gruppe, in der er läuft, hat die Staffel sogar gewonnen!«
»Na und?«, knurrte der
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