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Abgeferkelt: Roman (German Edition)

Abgeferkelt: Roman (German Edition)

Titel: Abgeferkelt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Hackenberg
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Thermoskanne auf dem Tisch, schenkte Kati etwas Schwarztee ein und füllte den Rest der Tasse mit Brandy auf. »Also, auf die Frauenbewegung!«
    »Auf die … Prost.« Gleich der erste Schluck brannte so höllisch, dass Kati husten musste. »Ganz schön stark«, keuchte sie.
    »Das wird besser, wenn Sie einfach weitertrinken.«
    Mit tränenden Augen zückte Kati Block und Bleistift und beschloss, schleunigst mit dem Interview anzufangen, bevor ihr vor lauter Alkohol die Sinne schwanden. »Frau Dr. Brinkmann-Kühler – was hat Sie dazu veranlasst, sich mit den Schmierereien auf Schultoiletten zu beschäftigen?«
    »Die blanke Wut.«
    »Oh.«
    »Stellen Sie sich vor, Sie lassen alle sanitären Einrichtungen für teures Geld neu fliesen, und dann kommen diese Bälger und kritzeln alles voll!« Sichtbar genervt steckte sich die Pädagogin eine Menthol-Zigarette an, atmete tief ein und blies den Rauch durch die Nase hinaus. »Wir haben’s natürlich immer wieder weggeputzt. Aber kaum war eine Kachel weiß, stand Minuten später schon der nächste Spruch drauf. Glauben Sie mir: Das sind die Momente, in denen man sich die Prügelstrafe zurückwünscht.«
    Kati unterdrückte ein Husten. »Und, ähm – wie ging es dann weiter?«
    »Na, wie wohl. Ich fing an, mir die Sprüche durchzulesen.«
    »Und?«
    »Die reinste Logorrhö!«
    »Logo – was? «
    »Wortdurchfall«, übersetzte Dr. Brinkmann-Kühler. »Man könnte auch geistiger Dünnschiss dazu sagen.« Sie nahm einen Schluck aus ihrem Becher. »Allerdings ist mir etwas aufgefallen.«
    »Und zwar?«
    »Mädchen und Jungen kritzeln anders. Nehmen Sie noch einen?« Die Schulleiterin deutete auf die Brandy-Flasche.
    »Danke, ich hab noch. Inwiefern kritzeln Mädchen und Jungen anders?«
    »Selbst dann, wenn Sie nur Mist absondern, treten Mädchen untereinander in Beziehung. Schauen Sie.« Dr. Brinkmann-Kühler breitete eine Reihe von Fotos vor Kati aus, die über und über beschmierte Wände abbildeten. »Hier steht zum Beispiel: ›Ich liebe Torben – gezeichnet Sandy.‹ Und darunter schreibt eine Mitschülerin: ›Sag’s ihm ins Gesicht, denn ich glaube nicht, dass er extra aufs Mädchenklo geht, um das rauszukriegen.‹ Daraufhin wieder Sandy: ›Ich trau mich nicht.‹«
    »Das ist ja fast ein Dialog«, meinte Kati.
    »Stimmt genau. Und so etwas würden Sie auf einem Jungenklo nie finden.«
    »Sondern?«
    »Verben, die allesamt mit ›F‹ anfangen. Und daneben ein paar Zeichnungen, die das Gemeinte illustrieren.«
    »Das heißt also, den Mädchen geht es um den Austausch von Gefühlen und den Jungen hauptsächlich um Sex, verstehe ich Sie richtig?«
    »Wie im wirklichen Leben, oder?« Die Schulleiterin kippte den restlichen Inhalt ihres Kaffeebechers in einem Zug weg. »Und das nach mehr als vier Jahrzehnten autonomer Frauenbewegung! Wenn ich mitkriege, was die Mädchen heute für Flausen im Kopf haben, frage ich mich wirklich, wofür wir damals auf die Straße gegangen sind.« Kopfschüttelnd schenkte sie sich Brandy nach, wobei ihr Blick auf Katis halbvolle Tasse fiel. »Sie trinken ja gar nicht.«
    »Äh, doch, natürlich.«
    »Also, dann.« Dr. Brinkmann-Kühler hob ihren Becher zum Toast. »Auf die Ur-Mütter der Emanzipation. Auf das, was sie schon erreicht haben, und auf das, was noch kommt.«
    »Möge eine Typ-Beratung ganz oben auf ihrer Prioritäten-Liste stehen«, entfuhr es Kati.
    »Wie bitte?«
    »Ist nicht böse gemeint. Ich denke nur, dass manche Emanzen mit Farbe, Make-up und Charme mehr erreichen würden als mit diesem naturbelassenen Geschimpfe in Talkshows.«
    »Sagen Sie mal, wo sind Sie denn entsprungen?«
    »Bis vor kurzem war ich Beauty-Redakteurin bei einer Frauenzeitschrift. Davor habe ich eine Ausbildung zur Kosmetikerin gemacht.«
    »Was für eine Zeitverschwendung! Warum haben Sie nicht Physik studiert?«
    »Das ist mir ehrlich gesagt nie in den Sinn gekommen«, räumte Kati ein.
    »Da haben wir’s doch wieder! Die Erziehung von Mädchen mündet heute noch genauso in einer Sackgasse wie zu Kaiser Wilhelms Zeiten!«
    »Ich verstehe nicht ganz …«
    »Was damals Kinder, Kirche, Küche war, ist heute Botox, Bulimie und Bohlen. Jede Frau will faltenfrei, spindeldürr und noch dazu ein Superstar sein. Und das alles auch noch freiwillig!« Geräuschvoll zog Dr. Brinkmann-Kühler an ihrer Zigarette. »Männer würden sich mit so was nie aufhalten. Die beschränken sich schon in frühester Jugend auf das Wesentliche!«
    »Indem sie das

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