Abgeferkelt: Roman (German Edition)
F-Wort auf Klotüren schmieren?«, hakte Kati nach.
»So obszön das auch erscheinen mag – es ist auf jeden Fall zielführend.«
»Verstehe. Was ziehen Sie denn nun für Schlüsse aus Ihrer Studie?«
»Ich denke, dass der Klospruch als Dokument der Zeitgeschichte bisher völlig unterschätzt worden ist«, so die Schulleiterin. »Wenn wir auf diesem Gebiet weiterforschen, erwarten uns sehr aufschlussreiche Erkenntnisse über das Rollenverhalten von Mädchen und Jungen.«
»Das heißt, auf Ihren Toiletten wird künftig nichts mehr von den Wänden geputzt?«
»Damit würden wir ja zulassen, dass menschliches Gedankengut von Ajax getilgt wird.«
»Und ich nehme an, das wäre unverantwortlich?«
»Ich möchte sogar noch einen Schritt weiter gehen«, sagte Frau Dr. Brinkmann-Kühler und lehnte sich mit bedeutungsschwerer Miene in ihrem Stuhl zurück. »Wer Klosprüche wegwischt, unterbindet die freie Meinungsäußerung. Und das ist nicht im Sinne eines auf Selbstbestimmung ausgerichteten Erziehungsansatzes …«
*
Auf dem Weg zurück zu ihrem Auto war Kati in Gedanken versunken. Ob ihr Leben besser verlaufen wäre, wenn sie Physik studiert hätte? Mal abgesehen davon, dass dieses Fach einer der Gründe für ihr nicht bestandenes Abitur war, musste sie sich die Frage gefallen lassen, ob sie sich damals aus den richtigen Motiven heraus für den Beruf der Kosmetikerin entschieden hatte. Was, wenn sie sich mehr angestrengt hätte, statt den Weg des geringsten Widerstands zu gehen und nur noch das zu tun, worin sie ohnehin gut war?
Sie schloss die Autotür auf, warf ihre Tasche auf den Beifahrersitz und stieg ein. Keine Frage – mit einem Diplom in Physik hätte sie Friedrich ganz sicher mehr imponiert als mit ihrem Abschluss von der Kosmetikschule. Aber musste man einen Menschen nicht in erster Linie für das lieben, was er war – unabhängig von dem, was er leistete? Sie startete den Motor, setzte den Wagen zurück – und stieß mit der hinteren Stoßstange unerwartet auf einen Widerstand, gefolgt von einem kläglichen Geschnatter. Augenblicklich stieg Kati auf die Bremse, sprang aus ihrem Wagen – und prallte zurück.
»Oh, mein Gott!«
Unter ihrem Auto lag ein Schwan, der am ganzen Körper zitterte und seinen linken Flügel verdächtig hängen ließ.
»Scheiße!« Hilfesuchend sah Kati sich um, doch weit und breit war niemand zu sehen. Und jetzt? Sie traute sich nicht, den Vogel anzufassen und beiseitezuschieben, konnte andererseits aber auch nicht aus der Parklücke herausfahren, wenn er unter ihrem Auto liegen blieb. Abgesehen davon brauchte er dringend medizinische Hilfe. Da sie sich nicht anders zu helfen wusste, zückte sie mit klopfendem Herzen ihr Handy. »Hallo, Polizei? Ich weiß ja nicht, ob Sie dafür zuständig sind, aber ich habe gerade einen Schwan angefahren …«
*
»So, dann wollen wir mal sehen.« Polizeimeister Knut Dietrichsen beugte sich über sein Notizbuch. »Tatort: Parkplatz des Brentano-Gymnasiums. Tatzeit: 11.30 Uhr. Tatfahrzeug: ein, äh, etwas in die Jahre gekommener, silbergrauer VW Polo mit Frankfurter Kennzeichen.« Er drehte sich zu Kati um. »Wann gedenken Sie Ihren Wagen umzumelden?«
»Keine Ahnung. Hören Sie, ich muss dringend zur Arbeit zurück …«
»Immer mit der Ruhe, junge Frau. Sie können hier nicht einfach einen Schwan umdübeln und dann selbst die Flatter machen wollen. Wir leben hier in einem Rechtsstaat.«
»Aber Sie haben doch meine Adresse …«
»Ich rekapituliere: Sie haben Ihren ordnungsgemäß abgestellten Pkw zur Tatzeit aus der Parklücke manövriert und dabei den sich hinter Ihrem Fahrzeug befindlichen Schwan zum Nachteil desselben touchiert. Richtig?«
»Richtig«, sagte Kati und stieß ein abgrundtiefes Seufzen aus.
»Moment mal – was rieche ich denn da?« Dietrichsen kam näher und schnupperte. »Haben Sie etwa Alkohol getrunken?«
»Nur einen winzig kleinen Schluck …«
»Das wird ja immer besser!«
»Ich hatte wirklich nur einen Schuss Brandy im Tee …«
»Das werden wir gleich mal sehen, wie viel Sie im Tee hatten. Jetzt wird gepustet.«
»Das ist nicht Ihr Ernst!«
Dietrichsen hielt ihrem Blick gelassen stand. »Sehe ich aus wie ein Scherzkeks?«
»Äh – nein.«
»Also, dann ran ans Röhrchen, zack, zack!«
Kati konnte es nicht fassen. Musste eigentlich bei jedem ihrer Termine für diese verflixte Zeitung irgendetwas schiefgehen? Resigniert nahm sie das Mundstück des Atemmessgeräts zwischen die Lippen
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