Abgeferkelt: Roman (German Edition)
Einladung eines Pinzetten-Herstellers. Thema des Abends war: ›Zupfen oder rupfen – wie man Augenbrauen richtig in Form bringt‹. Dazu gab’s ein Pinzetten-Set als Give-away und ein Buffet vom Allerfeinsten.«
»Wenn ich dir so zuhöre, frage ich mich, warum ich diesen Job hier überhaupt angenommen habe«, sagte Kati mit kaum verhohlenem Neid.
»Weil es richtig war, von Ralf wegzukommen. Zwischen ihm und Chantal kriselt es übrigens, falls es dich interessiert.«
»Ach, und woran machst du das fest?«
»An der zunehmenden Gereiztheit, mit der er darauf reagiert, wenn er ihren Fiffi ausführen soll. Außerdem fragt er verdächtig oft nach dir.«
»Er hat meine Handynummer. Wenn er was wissen will, kann er sich jederzeit bei mir melden.«
»Das wünschst du dir doch nicht ernsthaft! Nach allem, was gewesen ist?«
Kati seufzte abgrundtief. »Ich weiß schon, was du sagen willst: Er ist ein unzuverlässiger, hirnverbrannter Idiot, und ich kann froh sein, dass ich ihn los bin.«
»Stimmt genau.«
»Aber ich bin einsam. Und mittlerweile schon so alt, dass sich auf der Straße selbst die guterhaltenen Rentner nicht nach mir umdrehen.«
»Du bist gerade mal 33. Und nach allem, was du erzählt hast, konntest du dich schon in deiner ersten Arbeitswoche kaum vor unmoralischen Angeboten retten. Oder wie war das mit dem Schweinezüchter?«
»Hinnerk Gorschlüter? Erschütternd eigentlich, dass so ein Typ noch auf dem Markt ist.«
»Immerhin gibt es in deinem Umfeld Männer, die sich für dich interessieren. Dass es sich dabei eher um die B-Besetzung handelt, solltest du für den Anfang einfach ignorieren. Und dein Selbstwertgefühl daran aufrichten, dass überhaupt noch jemand auf dich aufmerksam wird.«
»Guter Plan. Und was mache ich inzwischen mit meiner vielen Freizeit?«
»Shoppen gehen, was denn sonst?«
»Wozu? Wenn ich nicht gerade einen Schwan überfahre, lande ich garantiert im Schlamm. Und für beides ist ein Plastiksack sinnvoller als ein durchgestyltes Outfit.«
»Aber es gibt doch sicher noch etwas, das du für deine neue Wohnung brauchst, oder?«
»Nee, die ist so weit eigentlich komplett.« Fast zu komplett, fand Kati. Schließlich wollte sie nicht länger als ein halbes Jahr darin wohnen bleiben.
»Tja, schwierig.« Rebekka seufzte nachdenklich. »Wie wär’s dann mit Sightseeing? Du könntest einen Ausflug machen und dir was Schönes anschauen.«
»Glaub mir, hier gibt’s nichts Schönes.«
»Ach was, da hab ich doch neulich erst was gelesen – über so einen verrückten Künstler, nach dessen Entwürfen bei euch da oben ein Bahnhof entstanden ist …«
»Friedensreich Hundertwasser«, stieß Kati entnervt hervor.
»Stimmt, der war’s!« Rebekkas Stimme überschlug sich fast vor Begeisterung. »Mensch, da hab ich Fotos gesehen – irre! Ich meine, wo sonst gibt es einen derart bunten, fröhlichen und lebensbejahenden Bahnsteig?«
»Ich schätze mal, in Disneyland«, brummte Kati, der das Getue um den Bahnhof allmählich auf den Geist ging.
»Komm schon, das musst du dir anschauen. Den Eiffelturm würdest du doch auch besichtigen.«
»Wir reden von Uelzen, Becky. Nicht von Paris.«
»Da du derzeit aber in der Heide abhängst und nicht in Frankreich, würde ich an deiner Stelle einfach mit dem vorliebnehmen, was sich mir bietet.«
»Ich überleg’s mir.«
»Überlegen reicht nicht, du musst was tun, sonst wirst du noch depressiv.« Rebekka holte tief Luft. »Versprichst du, dass du dir einen Ruck gibst und da morgen Vormittag hinfährst?«
Katis Enthusiasmus hielt sich in Grenzen. »Also, ehrlich gesagt …«
»Versprichst du’s?«, beharrte ihre Freundin.
»Na gut, damit du Ruhe gibst.«
»Komm bloß nicht auf die Idee, zu schummeln.«
»Als ob ich mich das trauen würde.«
15.
E in Bummelzug brachte Kati am Tag darauf von Grümmstein zum Hundertwasser-Bahnhof in Uelzen. Keine Frage, er war bunt. Fröhlich. Und lebensbejahend. Das galt im Übrigen auch für die Pissoirs, auf die man immer dann einen Blick erhaschen konnte, wenn jemand aus der Tür der Herrentoilette trat: Wild angeordnete Kacheln in Rot, Schwarz und Weiß verwandelten das stille in ein schrilles Örtchen, in eine Ecke, in der man sich offensichtlich gerne aufhielt – der Andrang zumindest war groß. Und nicht nur dort. Der gesamte Bahnhof schien an diesem Samstagmorgen übervölkert zu sein von Menschen, die an- und abreisten, Koffer hinter sich herzogen oder Kameras um den Hals baumeln
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