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Abgeferkelt: Roman (German Edition)

Abgeferkelt: Roman (German Edition)

Titel: Abgeferkelt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Hackenberg
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ließen. Es gab Rentnergruppen, die mit Nordic-Walking-Stöcken aus den Regionalzügen stolperten, Ehepaare, die andächtig zwischen den grell glasierten Säulen in der Bahnhofshalle auf und ab flanierten, und Kinder, die ganz ohne Ehrfurcht auf den Mosaiken herumsprangen, die in den Boden eingelassen waren. Kati entdeckte ein Schwein, einen Stern, ein Auge und eine Deutschland-Fahne und konnte sich nur mit Mühe davon abhalten, den Kindern einfach hinterherzuhüpfen.
    Aber sie beherrschte sich und bestaunte stattdessen ein in Rosa und Ziegelrot gehaltenes Wartehäuschen mit begrüntem Dach auf einem der Bahnsteige, zählte die goldenen Kugeln, die von der Frontseite des Gebäudes in den Himmel ragten, und genehmigte sich schließlich einen Kaffee im Bahnhofsrestaurant. Dort musste sie ihrem Bruder, Ellen und Rebekka innerlich Abbitte leisten: Dieser Bahnhof war tatsächlich sehenswert. Nur leider hatte man sich das, was es zu sehen gab, selbst bei maximaler Langsamkeit innerhalb einer Stunde vollständig angeschaut. Was Katis Grundproblem, dieses schier endlos lange Wochenende halbwegs unterhaltsam hinter sich zu bringen, keineswegs löste. Sie grübelte gerade darüber nach, was sie mit dem Rest des Tages anstellen sollte, als ihr Handy klingelte. Umständlich kramte sie es aus ihrer Handtasche und stutzte. Die Nummer auf dem Display sagte ihr nichts.
    »Hallo?«
    »Buddington hier. Guten Tag, Frau Margold.«
    Die samtweiche Stimme ihres Anwalts jagte Kati einen unangenehmen Schauer über den Rücken. »Ach, Sie sind’s«, antwortete sie ohne Begeisterung. »Hallo.«
    »Rufe ich Sie ungelegen an?«
    »Nö, das passt schon. Ich sitze gerade sehr bequem.«
    »Ich wollte mich nur erkundigen, wie Ihre erste Woche verlaufen ist. Konnten Sie schon einige Eindrücke über den Verlag sammeln?«
    »Sagen wir mal so: Ich bin noch dabei.«
    »Sie wissen ja, wie stark die Tredbeck-Gruppe an einer Übernahme interessiert ist. Und natürlich möchten die Herren wissen, wann sie mit einer Entscheidung rechnen können.«
    Drängelte der etwa? Genervt blies Kati sich die Ponyfransen aus der Stirn. »Ich melde mich dann, wenn es so weit ist.«
    »Natürlich, Frau Margold, das verstehe ich vollkommen«, versicherte Buddington hastig. »Aber ich würde Ihnen den Entwurf für den Kaufvertrag gern vorab zukommen lassen. Damit Sie einen Eindruck von den Konditionen bekommen.«
    »Ein Kaufvertrag? Wer hat den denn aufgestellt?«
    Der Anwalt räusperte sich verlegen. »Nun, ich war so frei …«
    »Sind Sie jetzt mein Anwalt oder der von Tredbeck?«
    »Also wirklich, Frau Margold. Daran gibt es doch gar keinen Zweifel …«
    »Dann werden Sie bitte erst dann aktiv, wenn ich Ihnen den Auftrag dazu gebe.«
    Daraufhin entstand eine sekundenlange Pause. »Wie Sie wünschen, Frau Margold«, entgegnete der Anwalt dann aalglatt. »Bleibt uns nur noch, die Schlüsselfrage zu klären.«
    »Welche Schlüsselfrage?«
    »Der Schlüssel für die Amberg-Villa, das Haus Ihres verstorbenen Vaters. Es gehört jetzt schließlich Ihnen.«
    »Das Haus meines …« Kati verstummte. Da lebte sie nun schon seit einer Woche in Grümmstein und war so sehr mit ihren eigenen Problemen beschäftigt gewesen, dass sie kaum einen Gedanken an die Villa verschwendet hatte. Ehrlich gesagt war sie auch jetzt noch nicht bereit dazu, denn irgendwie verband sie mit diesem Haus ein Gefühl der Angst: Würde sie dort, inmitten der Möbel und persönlichen Gegenstände von Friedrich, einen anderen Eindruck von ihm bekommen? Und wenn ja: Wie würde sie damit weiterleben?
    »Schicken Sie mir den Schlüssel einfach per Post zu«, sagte sie dann und beschloss, die Auseinandersetzung mit ihrem Vater noch eine Weile zu vertagen.
    »Wie Sie wünschen, Frau Margold. Dann noch ein angenehmes Wochenende.«
    »Ihnen auch. Wiederhören.« Kati schaltete ihr Handy aus und starrte wie betäubt vor sich hin. Durch diesen Anruf war ihre ohnehin fragile Laune schlagartig wieder in den Keller gerutscht. Und nun? Alles in ihr verlangte nach einem Seelentröster. Genauer gesagt nach einem Teller Pommes. Nicht gerade figurförderlich, aber das war Kati im Moment ziemlich egal.
    Sie wollte gerade nach der Kellnerin rufen, als ihr Blick auf ein bekanntes Gesicht fiel: Benny Larsen. Der Sohn ihres Chefredakteurs stand wie vom Himmel gefallen im Eingang des Restaurants und trat verlegen von einem Fuß auf den anderen. Er musste sie schon vor ein paar Minuten entdeckt, sich offenkundig aber nicht

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