Abgeferkelt: Roman (German Edition)
sie fährt Bus.«
Sophie kicherte drauflos. »Eine Heidschnucke im Bus – das glaub ich nicht!«
Unter der Krempe seines Hutes verzog der Schäfer keine Miene. »Es lohnt sich eben nicht, für ein einzelnes Tier jedes Mal den Transporter zu nehmen, um von A nach B zu kommen«, sagte er seelenruhig. »Darum gehe ich mit der Herde und den Hütehunden voraus, während meine Frau die Geli mit dem Linienbus nachbringt.«
»Und das ist erlaubt?«, fragte Kati fassungslos.
»Warum sollte das nicht erlaubt sein? Auch unter Herdentieren gibt es Individualisten.«
»Schon, aber …«
»Wir haben natürlich eine Sondergenehmigung, und der Landkreis bezuschusst die Monatskarte. Denn Profilneurose hin oder her: Als Landschaftspflegerin ist die Geli unabkömmlich.«
»Inwiefern?«, wollte Kati wissen.
»Sie hält die Heide kurz und verhindert, dass die Flächen verbuschen«, erläuterte der Schäfer. »Außerdem entfernt sie durch die Beweidung Spinnweben von den Heideblüten – das macht es für die Bienen leichter, Honig zu sammeln.« Er drehte sich zu der Schnucke um und tätschelte sie liebevoll zwischen den Hörnern. »Und wer sich so stark für den Naturschutz einsetzt, darf trotz Allüren auch ein paar Privilegien für sich in Anspruch nehmen.«
»Da wundert es einen fast, dass die Geli noch keinen Sitz im Europaparlament ergattert hat«, murmelte Jonas.
Kati überging seinen unqualifizierten Kommentar und wandte sich erneut an den Schäfer: »Wie läuft das denn praktisch ab mit einer Heidschnucke im Linienbus? Hat sie da überhaupt genug Platz?«
»Klar doch, in der Nische, die sonst für Kinderwagen vorgesehen ist.«
»Ach was – und da beschwert sich keiner? Militante Mütter, zum Beispiel?«
»Lassen Sie es mich mal so ausdrücken …«, kam die Antwort. »Der allseits grassierende Geburtenrückgang kommt uns da gerade sehr entgegen …«
*
Der Rundweg durch die Ellerndorfer Wacholderheide führte weiter in Richtung Eimke, ein Dorf, das für seine hübsche, alte Feldsteinkirche bekannt war.
»Die würde ich mir gerne mal ansehen«, schlug Jonas vor, löste damit jedoch eine Welle des Protestes aus.
»Du hast versprochen, heute nicht rumzuspießen«, beschwerte sich Louisa sofort.
»Sonst wären wir nämlich gar nicht erst mitgekommen«, maulte Hanna.
»Was habt ihr gegen diesen kleinen Zwischenstopp einzuwenden? Immerhin gibt’s da einen Flügelaltar, der im 15. Jahrhundert entstanden ist …«
»Ein Flügelaltar«, wiederholte Sophie ohne Begeisterung. »Ab-ge-fahren.«
»Vielleicht kann ich euch ja damit locken«, versuchte Jonas es erneut. »Direkt vor der Kirche steht eine Eiche, die mindestens 400 Jahre alt sein soll.«
»Von mir aus kann die da auch noch weitere 400 Jahre rumstehen, ohne dass ich mir das Ding ansehen muss«, konterte Louisa.
»Wie wäre es dann mit einem Deal?«, bot ihr Vater an. »Wir gehen zu der Kirche, und nachher spendiere ich euch allen ein Eis.«
»Das ist doch kein Deal«, behauptete Benny. »Das hättest du sowieso gemacht.«
»Ein Deal ist es nur dann, wenn es Papa weh tut«, überlegte Hanna laut. »Er muss etwas machen, was er absolut nicht leiden kann – als Ausgleich dafür, dass er uns zu dieser Kirche schleppt.«
»Singen, zum Beispiel«, rief Sophie und lächelte boshaft. »Das mag er überhaupt nicht.«
»Singen?! Ihr spinnt wohl.«
»Jetzt sei nicht feige, Papa!«
»Ich bin nicht feige, sondern … vorausschauend«, antwortete er mit einem Seitenblick auf Kati. »Frau Margold nimmt mich doch nie wieder ernst, wenn ich ihr in aller Öffentlichkeit was vorsinge.«
»Das tue ich sowieso nicht«, meinte sie und zwinkerte ihm zu. »Wobei ich Sie schon gerne mal singen hören würde – und diesen Flügelaltar aus dem 15. Jahrhundert unbedingt sehen möchte.«
»War ja klar, dass Sie mir in den Rücken fallen.«
Kati lachte leise. »Bei jeder sich bietenden Gelegenheit.«
»Bitte, Papa – das Löns-Lied! Nur ein einziges Mal!« Schmeichelnd hängte sich Sophie an seinen Arm. »Wir machen auch mit …«
»So weit kommt’s noch – wir marschieren doch nicht als norddeutsche Version der Trapp-Familie durch die Lande«, wehrte Jonas ab.
Als seine Kinder ihn jedoch umzingelten und immer wieder »SIN-GEN!, SIN-GEN!, SIN-GEN!« in sein Ohr brüllten, gab er auf. »Also gut, ihr habt es nicht anders gewollt. Frau Margold? Ich erwarte, dass Sie sich bei dieser Gemeinschaftsaktion einbringen.«
»Ich kenne das Lied ja noch nicht
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