Abgeferkelt: Roman (German Edition)
mal«, wehrte Kati ab.
»Oh, die Melodie ist sehr eingängig und der Text von Hermann Löns weitgehend sinnfrei – spätestens beim Refrain haben Sie’s raus.«
Er räusperte sich, zischte seinen Kindern ein letztes »Jetzt lasst mich bloß nicht hängen, ihr Biester« zu und schmetterte dann in einwandfreiem Bariton: »Auf der Lüneburger Heide, in dem wunderschönen Land, ging ich auf und ging ich nieder, allerlei am Weg ich fand …«
»Falleriiiie«, stimmten die Zwillinge mit ein.
»Falleraaaa«, grölten Benny und Sophie eine Tonlage tiefer.
»Und jucheirassa, und jucheirassa«, krähten alle zusammen, »bester Schatz, bester Schatz, denn du weißt, du weißt es ja …«
»Wenn Sie schunkeln möchten, tun Sie sich bitte keinen Zwang an«, rief Jonas Kati zu, bevor er zur nächsten Strophe anhob: »Brüder, lasst die Gläser klingen, denn der Muskatellerwein wird vom langen Stehen sauer, ausgetrunken muss er sein …«
Mittendrin griff Benny nach Katis Hand. Und beim nächsten »Falleriiiiie« ertappte sie sich dabei, dass sie einfach mitsang: laut, falsch und schrecklich schräg, aber aus vollem Herzen.
*
Es war schon spät, als sie an diesem Abend nach Hause kam. Trotzdem rief Kati gleich bei ihrem Bruder an. »Rate mal, wo ich heute war.«
»Na?«
»Ich bin singend durch die Heideblüten gestapft.«
Micha wurde hellhörig. »Muss ich mir Sorgen machen?«
»Nein, es war wunderbar.« Sie lächelte in den Telefonhörer. »Einfach wunderbar.«
17.
D ie darauffolgende Woche begann mit einem ungebetenen Besuch für die Lokalredaktion.
»Hat jemand von euch kurz Zeit?«, fragte Ellen Klimmt, als die morgendliche Konferenz beendet war. »Da draußen steht das Ehepaar Thönjes und lässt sich nicht abwimmeln.«
»Schon wieder?« Manolo klang genervt. »Die waren doch neulich erst hier!«
»Sie sagen, es sei dringend«, ergänzte die Sekretärin.
»Bei denen ist es doch immer dringend«, schaltete Guido sich ein. »Aber damit eins klar ist, Leute: Ich lass mich diesmal nicht vollsülzen! Diesmal nicht!«
»Heinz, was ist mit dir?«
»Ich muss nach Glümmsingen, eine Riesen-Zucchini knipsen – sorry.«
Prompt richteten sich Manolos Augen auf Kati. »Dann geht die Geschichte wohl an dich, Schnuckelchen.«
»Wer – ich?«
»Siehst du hier sonst noch jemanden, der absolut entbehrlich ist?«
»Aber was ist mit meinem Text über die neue Anleinpflicht für Hunde am Grümmeufer?«
»Den schreibst du hinterher.«
Sie seufzte resigniert. »Worum geht’s denn überhaupt?«
»Das sollen dir die beiden selbst erzählen«, sagte Ellen und hatte es auf einmal sehr eilig, wieder an ihren Platz zu kommen.
Ein unauffällig gekleidetes Rentnerpaar erwartete Kati im Besprechungszimmer der Redaktion. Der Mann, Mitte sechzig, hatte den Riemen eines Herrenhandtäschchens um das Handgelenk geschlungen und seinen cremefarbenen Anorak dem warmen Sommerwetter zum Trotz anbehalten. Seine Frau saß mit gewelltem Haar und unbewegter Miene neben ihm und zwirbelte den Zipfel eines Papiertaschentuchs zwischen den Fingern hin und her.
»Guten Morgen. Ich bin Katharina Margold. Was kann ich für Sie tun?«
Der Mann erhob sich. »Thönjes«, stellte er sich vor und machte eine kleine Verbeugung. »Das ist meine Frau.«
»Freut mich. Also – was haben Sie auf dem Herzen?«
»Es handelt sich um einen akuten Notfall«, sagte Herr Thönjes, während seine Frau starr an die Wand blickte. »Wir sind überzeugt, dass nur Sie uns helfen können.«
»Vielleicht erzählen Sie mir erst mal …«
»Frag sie nach der Nummer«, meldete Frau Thönjes sich so unvermittelt zu Wort, dass Kati zusammenzuckte.
Sofort richtete sich die Aufmerksamkeit ihres Mannes voll auf sie. »Kannst du ihn wieder sehen, Schatz?«
»Ja. Ganz deutlich. Er liegt in seinem Blut.«
Kati, die ratlos von einem zum anderen geblickt hatte, räusperte sich. »Ähm – über wen reden wir hier eigentlich?«
»Über George Clooney. Er liegt verletzt in seinem Haus am Comer See und braucht unsere Hilfe.«
Dies war exakt der Moment, in dem Kati der Verdacht kam, es mit zwei gemeingefährlichen Irren zu tun zu haben. »George Clooney, a-ha «, sagte sie gedehnt und überlegte verzweifelt, wie sie das Ehepaar möglichst schnell wieder an die frische Luft befördern könnte.
»Sie glauben uns wohl nicht, wie?«, fragte Thönjes angriffslustig.
»Nun, ich …«
»Warum müssen wir eigentlich mit Ihnen reden? Sonst hatten wir immer mit Ihren
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