Abgeferkelt: Roman (German Edition)
Kati. »Du bist die Nächste, ab geht die Post.«
Mechanisch kam sie seiner Aufforderung nach und kletterte nun ihrerseits die Leiter nach oben. Wasser plätscherte durch die kreisrunde Öffnung der Rutsche, die über Kurven und Schlenker bergab ins Nichts zu führen schien. Kati spürte, wie ihr Herz gegen den Brustkorb hämmerte. Sollte sie das jetzt wirklich tun? Ängstlich spähte sie nach unten und entdeckte Charlotte unter den Schaulustigen. Den Mann neben ihr erkannte sie sofort: Schlank und durchtrainiert stand Jonas Larsen mit seinem Sohn Benny vor einer der gekachelten Wände und würde hautnah mitbekommen, wenn sie in wenigen Augenblicken mit einer Arschbombe im Wasser aufschlug. Eine Erfahrung, auf die Kati gut und gerne verzichtet hätte, aber ihr blieb keine Wahl.
»Alles bereit da oben?«, rief Werner ihr zu.
Sie hob den Daumen.
»Gut – dann immer schön geradeaus rutschen!«
»Und den Hintern hochhalten«, murmelte sie vor sich hin, bevor sie kurz entschlossen in die Röhre sprang.
Augenblicklich ging es abwärts. Wasser spritzte Kati ins Gesicht, während sie versuchte, sich möglichst flach auf den Rücken zu legen. Ihr Puls raste, ihr Atem stockte, und ihr Magen verkrampfte sich, während sie von Kurve zu Kurve geschleudert wurde. Doch bevor sie sich darüber wundern konnte, wie andere es schafften, bei dem Tempo auch noch die Hüften anzuheben, wurde sie auf das Ende des Tunnels zukatapultiert und landete mit einer hoch aufschießenden Fontäne im Auffangbecken. Das Wasser dort war nicht tief, doch die Wucht des Aufpralls drückte Kati nach unten, so dass sie erschrocken nach Luft schnappte und gegen ihren Willen eine Ladung Wasser schluckte. Es rauschte und gurgelte, Chlor brannte in ihren Augen und in ihrer Kehle. Wild mit den Armen rudernd, richtete sie den Oberkörper auf, tastete halb blind nach dem Beckenrand und wollte sich gerade aus dem Wasser stemmen, als ihr etwas auffiel: Ihr Bikini-Oberteil fehlte. Es war weg. Verschwunden. In der Rutsch-Röhre abhandengekommen. Und das stellte jetzt definitiv ein Problem dar.
Abrupt ließ sie sich ins Becken zurücksinken, kreuzte die Arme vor der Brust und blickte sich hilfesuchend nach Charlotte um, die nirgendwo zu sehen war.
»16,8 Sekunden«, dröhnte Werners Stimme zu ihr herüber. »Mensch, das hätte ein Super-Ergebnis sein können, wenn du angezogen geblieben wärst!«
»Was?«, rief Kati, die noch immer Wasser in den Ohren hatte.
»Nackig is’ nich’«, brüllte der Bademeister zurück. »Du bist disqualifiziert, sorry!«
Offen gestanden war das im Moment ihre geringste Sorge. Ihr war kalt. Sie spürte einen Krampf im Bein. Und hatte abgesehen davon nicht die leiseste Ahnung, wie sie jemals aus diesem Becken herauskommen sollte, ohne sämtlichen Anwesenden einen noch freizügigeren Blick auf ihre Oberweite zu gewähren, als sie es ohnehin schon getan hatte. Wo zum Teufel steckte Charlotte?
»Frau Margold!«
Der Klang dieser Stimme ließ Kati augenblicklich zusammenfahren. Jonas. Wieso musste er eigentlich immer, immer, immer als Erster mitbekommen, wenn sie sich zum Horst machte? Widerwillig sah sie hoch und starrte auf seine makellose, männliche Brust, die sich vom Beckenrand aus zu ihr vorbeugte. Natürlich hatte er alles gesehen. Und natürlich würde er sie infolgedessen nie wieder ernst nehmen. Dass er ihr trotzdem ein kleines Badetuch reichte, rechnete Kati ihm jedoch hoch an. Innerlich resignierend, schwamm sie auf ihn zu, griff nach dem Frottee und bedeckte sich damit, so gut es eben ging.
»Achtung, festhalten«, sagte Jonas, packte sie an den Oberarmen und zog sie so mühelos aus dem Wasser, als ob sie gar nichts wiegen würde. Dann stand sie vor ihm, patschnass und zitternd und sehr, sehr verlegen.
»Nur so aus Neugier«, fragte er. »Wollten Sie vorhin Ihr Mittelpunkt-Syndrom ausleben, oder ging es darum, für eine Pannen-Show gecastet zu werden?«
»Ich … das … Das war ein Versehen.«
»Ein sehr inspirierendes, wenn Sie mich fragen.«
Irritiert sah sie ihn an und stellte fest, dass er lächelte. Ganz ohne Anzüglichkeit, aber durch und durch amüsiert. Was keineswegs ein Trost war.
»Hier kommt das zweite Handtuch, Papa.« Benny tauchte neben ihnen auf und reichte seinem Vater ein großes, flauschiges Strandtuch, das dieser sofort um Katis Schultern wickelte. Anschließend legte er seine Hand auf ihren Rücken und schob sie mit sanftem Druck aus der Menge der Schaulustigen.
»Wo … wo steckt
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