Abgeferkelt: Roman (German Edition)
eigentlich Charlotte?«, fiel Kati plötzlich ein.
»Sie ist sofort losgelaufen, als sie gesehen hat, was passiert ist.« Jonas steuerte ein paar Liegen im hinteren Teil des Schwimmbades an. »Ich fürchte nur, bei dem Gedrängel hier hat sie es nicht so schnell zu ihrer Badetasche geschafft …«
»Verstehe.«
»Eigentlich cool«, meinte Benny, der neben ihnen herlief. »Kati ist schneller gerutscht als ihr Bikini.«
Jonas strich seinem Sohn über den Haarschopf und zwinkerte Kati zu. »Halb ausgezogen in 16,8 Sekunden – Sie sollten sich überlegen, ob Sie mit der Nummer nicht bei ›Wetten dass …‹ antreten wollen …«
Bevor ihr darauf eine Antwort einfiel, ließ sich jemand seitlich vom Beckenrand ins Wasser klatschen – und zwar mit so viel Schwung, dass Werners obligatorische Schimpftirade vom Getöse des aufspritzenden Wassers übertönt wurde. Der Kopf, der nun aus den schäumenden Wogen auftauchte, gehörte zu Etienne-Ewald. »Du hast was vergessen«, rief er und warf Kati ein rosa-weiß getupftes Etwas zu, das platschend vor ihren Füßen landete. Ihr Bikini-Oberteil. »Ich hab gleich gewusst, dass du nicht ausgestopft bist«, tönte er durch die ganze Halle, bevor er endgültig davonschwamm.
Ein Ausdruck der Ratlosigkeit zeichnete sich auf dem Gesicht des kleinen Benny ab. »Was meint der mit ausgestopft?«
»Das erkläre ich dir, wenn du Abitur gemacht hast«, erwiderte sein Vater und schob ihn eilig weiter.
*
»Sieh es doch mal positiv«, sagte Charlotte, als sie einige Stunden später auf dem Stint saßen, zwei große Salate vor sich. »Immerhin ist es dir gelungen, Werners ›Fett flutscht am besten‹-Theorie zu widerlegen.«
Kati zersäbelte eine Tomate auf ihrem Teller und erwiderte nichts.
»Unfair fand ich allerdings, dass die dich tatsächlich disqualifiziert haben«, fuhr die Praktikantin fort. »Die Männer sind schließlich auch alle oben ohne angetreten, wenn man es sich genau überlegt …« Sie runzelte die Stirn, als sie feststellte, dass Kati die Tomate mittlerweile bis zur Unkenntlichkeit massakriert hatte. »Sag mal – alles in Ordnung bei dir?«
»Mein Chef hat mich nackt gesehen! Natürlich ist nichts in Ordnung!«
»Jetzt übertreib nicht – du hattest die Bikini-Hose noch an …«
Entnervt ließ Kati die Gabel fallen. »Der wird nie wieder ein Wort an mich richten, ohne meine entblößten Brüste im Chlorwasser dabei konkret vor Augen zu haben!«
»Okay, das ist unangenehm. Aber ich glaube nicht, dass Larsen …«
»Unangenehm?«, fiel Kati ihr ins Wort. »Wir reden hier von einer Mega-Katastrophe, von der größten Peinlichkeit meines Lebens!«
»Oh, da ist mir aber schon mal was viel Peinlicheres passiert. Willst du’s hören?«
»Lass es raus.«
»Ich hab mal einen Jungen angerülpst. Beim ersten Date, ungefähr zwei Sekunden bevor er mich küssen wollte.«
»Wenigstens bist du dabei angezogen geblieben.«
»Aber auch nur, weil der Typ danach nichts mehr von mir wissen wollte.« Charlotte legte ihr eine Hand auf den Arm. »Mach dir nicht so viele Gedanken. Larsen gibt sich zwar immer reichlich streng, aber er ist weder spießig noch humorlos. Außerdem ist er dir zur Rettung geeilt wie ein Prinz auf dem weißen Pferd – ohne Schwert, zugegeben. Aber dafür mit einem Frotteetuch in der Hand.«
»Wovon sprichst du?«
»Davon, dass er sofort losgerannt ist, als du hüllenlos wie eine Meerjungfrau aus dem Wasser aufgetaucht bist. Ich glaube, das Handtuch, das er dir zugeworfen hat, war noch nicht mal seins.« Charlotte nippte an ihrer Weißweinschorle. »Er hatte die ganze Zeit nur Augen für dich.«
»Ach was, er ist einfach nur praktisch veranlagt«, widersprach Kati und ließ den Blick über ihre malerische Umgebung schweifen. Am gegenüberliegenden Ufer der Ilmenau ragte der »Alte Kran« mit seinem Kupferdach auf – das Wahrzeichen Lüneburgs, mit dem die einst auf dem Flüsschen transportierten Waren vom Schiffs- auf den Landverkehr umgeladen wurden. Die barocke Fassade des historischen Kaufhauses zur Linken und die beiden Getreidemühlen aus dem 16. Jahrhundert zur Rechten vervollständigten das Bild vor Katis Augen zum perfekten Postkartenmotiv. Zum ersten Mal seit ihrer Ankunft musste sie Charlotte recht geben – auf Dauer war es einfach unmöglich, dem Charme dieser Stadt zu widerstehen.
»Jonas wollte einfach nicht, dass ich die Grümmsteiner Zeitung noch mehr blamiere, als ich es ohnehin schon täglich tue«, nahm sie
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