Abgeferkelt: Roman (German Edition)
vor Kati auf dem Tisch – »… sind die Erlöse auf ein Viertel der eigentlich erwarteten Summe zusammengeschrumpft. Und auch das hängt offenbar mit dem schwulen Schützenkönig zusammen.«
»Klar, weil der Schützenverband meine Artikel zu progressiv fand und unter den hiesigen Geschäftsleuten Stimmung gegen uns gemacht hat.« Kati war noch immer wütend deswegen. »Können wir diese Verluste nicht irgendwie abfangen?«
»Du hast Rücklagen für Krisenzeiten, Friedrich und seinem Geiz sei Dank. Nur ist das keine Dauerlösung.«
»Damit ich das richtig verstehe – unsere Leser finden es toll, wenn wir kritisch sind. Unsere Anzeigenkunden dagegen nicht. Wie passt das zusammen?«
Micha zuckte mit den Achseln. »Meine ganz persönliche Theorie lautet: Das Internet ist schuld.«
»Wie das?«
»Na, auf der einen Seite boomt der Enthüllungs-Journalismus, der durch Portale wie WikiLeaks immer schneller geworden ist und immer mehr Leute auf der ganzen Welt erreicht. Das erhöht natürlich die Erwartungen der Leser allgemein – auch an ihre Lokalzeitung, die glaubwürdig sein muss, wenn sie überhaupt noch eine Berechtigung haben will.«
»Und auf der anderen Seite?«
»Will keiner mehr für Inhalte bezahlen. Steht doch alles brandaktuell und kostenlos auf Spiegel online. Wichtige Nachrichten verbreiten sich blitzschnell über Twitter und Facebook. Und wer einen Job, ein neues Auto oder eine Wohnung sucht, kann das rund um die Uhr im Internet tun, ohne auf die verschnarchte Samstagsausgabe einer Tageszeitung warten zu müssen.«
»Ist ja auch total praktisch.«
»Keine Frage, aber es setzt dich als Verlegerin unter Zugzwang. Denn diese Einkünfte bekommst du nie wieder. Das wissen mittlerweile auch Institutionen wie der Schützenverband und die Stadtverwaltung, die das Stadtfest viel flexibler und kostengünstiger online bewerben können.« Micha lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Und wenn eure Berichterstattung dann mal ein bisschen zu tolerant ausfällt – zum Beispiel, weil ein schwuler Schützenverein darin auftaucht –, haben die ein schönes Druckmittel an der Hand.«
»Aber wir können uns doch nicht vorschreiben lassen, über wen wir in welcher Form berichten!«
»Wenn du dir diese journalistische Unabhängigkeit weiterhin leisten willst, solltest du eine zusätzliche Einnahmequelle in der Hinterhand haben.«
»Ja, aber welche?«
»Am Internet wirst du nicht vorbeikommen«, sagte Micha nachdenklich. »Du müsstest nur einen Weg finden, dort irgendwie Geld zu verdienen …«
Kati kam ein Gedanke. »Weißt du, worauf ich echt mal Lust hätte?«
»Na?«
»Wieder über Kosmetik zu schreiben. Vor lauter lokalen Skandalen weiß ich kaum noch, wie sich eine nährstoffreiche Gesichtsmaske anfühlt.«
»Dann richte dir doch einen Beauty-Blog ein«, schlug ihr Bruder vor. »Da kannst du dich ungehindert darüber auslassen, welche neuen Produkte es gibt und wie du die findest.«
»Du, das ist gar keine schlechte Idee.« Kati setzte sich auf. »Ich könnte Beauty-Tipps geben, die besten Wellness-Oasen der Region vorstellen oder mal einen Hautarzt interviewen …«
»Hast du nicht auch ganz gute Kontakte zur Kosmetikindustrie? Von früher noch?«
»Ein ganzes Notizbuch voll. Wieso fragst du?«
»Wenn du diese Firmen dazu bringst, Banner-Werbung auf den Seiten deines Beauty-Blogs zu schalten, hättest du eine zusätzliche Einnahmequelle.« Aufgeregt beugte Micha sich vor. »Vielleicht ließe sich ja auch ein Onlineshop angliedern, in dem die Leserinnen alle Produkte, die du beschreibst, gleich bestellen können. Allerdings bräuchtest du dann einen Lagerraum …«
»Das klingt aber nicht gerade nach unabhängigem Journalismus«, gab Kati zu bedenken.
»Blogs sind doch immer subjektiv und teilweise auch kommerziell. Aber wenn du dein Onlineportal getrennt von der Zeitung laufen lässt, sehe ich da kein Problem. Wie viele Verlage verkaufen schließlich nebenbei Reisen und DVDs?«
Die Geschwister sahen sich an.
»Meinst du wirklich, das könnte funktionieren?«
»Warum denn nicht?«, fragte Micha zurück. »Wenn du Spaß dran hast, solltest du es auf jeden Fall versuchen.«
Kati kaute auf ihrer Unterlippe herum. »Onlineshop, sagst du?«
»Jep.«
»Könnte man Friedrichs Villa nicht als Lagerraum für die Produkte nutzen? Die steht doch sowieso leer.«
»Wäre das Haus denn groß genug?«
»Bestimmt«, erwiderte Kati. »Allerdings war ich schon seit Ewigkeiten nicht mehr
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