Abgehakt
war allzu schnell einem rauen Alltag gewichen. Vier Jahre waren sie zusammen gewesen, in denen sie die meiste Zeit gestritten hatten. Sicher, sie versöhnten sich immer wieder, doch die glücklichen Tage wurden immer weniger. Im Nachhinein wunderte sie sich noch immer, wie lange sie gebraucht hatte, um sich von Toni zu trennen. Sie hatte sich geschworen, zukünftige Beziehungskandidaten genauer und sachlicher unter die Lupe zu nehmen.
Anne sah zu Bernd herüber, der sie offensichtlich beobachtete und sie nun selbstsicher anlächelte. Anne nahm das Gespräch wieder auf. »Wenn Sie ein so guter Freund von Mark sind, warum habe ich Sie auf seinem dreißigsten Geburtstag nicht gesehen?« Sie beugte sich interessiert nach vorne.
»An diesem Tag war ich leider im Ausland. Ich bin Immobilienmakler und habe jede Menge Objekte in Amerika, Italien und der Schweiz, um die ich mich hin und wieder kümmern muss. Aber seien Sie versichert, Mark hat mein Fehlen gut verkraftet.«
Anne fragte sich, ob er sich über sie lustig machte.
»Zumal ich jetzt weiß«, fuhr er grinsend fort, »dass Sie hier waren und ihn mit Ihrem Anblick erfreut haben. Er mag Frauen, wissen Sie?«
»Tut er das?«
Bernd gab keine Antwort. Auch er mochte die Frauen und ihm gefiel, was er sah. Umhüllt von einem Kleid aus schwarzer Seide, der ihre verführerische, schlanke Figur betonte, saß Anne da. Die langen, braunen Haare umschmeichelten ihre nackten Schultern. An ihrem Hals glänzte ein goldenes Collier, in dessen Mitte ein schwarzer Onyx hing. Sein Blick blieb an ihrem schmalen, ebenmäßigen Gesicht hängen. Ihr Teint war makellos und in ihren braunen Augen konnte er Mitgefühl und Intelligenz erkennen. Eine unbestreitbare Schönheit.
»Lassen Sie mich raten.« Nachdenklich kniff er die Augen zusammen und schien sie noch durchdringender zu mustern. »Sie sind eine sehr erfolgreiche Geschäftsfrau. Zumindest eine Führungsperson. Stimmt’s?«
Anne konnte ihr Lachen nicht unterdrücken. »Wären Sie sehr enttäuscht, wenn ich Ihnen sagen würde, dass ich verheiratet bin, fünf Kinder habe und sonst im Jogginganzug herumrenne?«
»Enttäuscht von mir selbst. Das wäre ein Grund, die Kursgebühr von meinem Körpersprachen-Trainer zurückzuverlangen.«
»Sie haben einen Kurs für Körpersprache belegt?«, fragte sie ungläubig.
»Ja, natürlich! Jeder der erfolgreich sein will, sollte die Sprache des Körpers beherrschen und zu deuten wissen. Größere Anerkennung, bessere Jobs, mehr Erfolg – das hängt alles nur davon ab, was man sagt, wenn man nichts sagt.«
»Interessante Theorie.«
»Das ist keine Theorie, das ist Praxis. Jeder hat doch selbst in der Hand, wie er auf andere wirkt. Die einfachsten Gesten machen uns sympathisch oder unsympathisch, kompetent oder inkompetent. Ich für meinen Teil wirke lieber sympathisch und kompetent.«
»Wer nicht? Aber wie kommen Sie darauf, dass ich die Körpersprache einsetze, aus der Sie schließen können, ich sei eine Karrierefrau? Ich habe keinen Kurs besucht.«
»Das brauchen Sie auch nicht. Sie sind eine Frau.«
Fragend zog sie die Augenbrauen hoch.
»Frauen sind Experten im Einsetzen und Deuten der Körpersprache und Mimik«, erklärte er. »Das kommt im Grunde aus der Urzeit. Früher mussten die Frauen erkennen, ob die Männer gut gelaunt waren. Schließlich waren sie die Stärkeren, die Aggressiveren. Das war sozusagen Selbstschutz, um nicht von den Männern verletzt zu werden. Umgekehrt war es unwichtig für die Männer, die Laune der Frau zu erkennen. Frauen waren ja schließlich keine Bedrohung für sie. Und deshalb brauche ich einen Kurs und Sie nicht.«
»Interessant.« Nachdenklich betrachtete sie Bernd und war sich noch nicht schlüssig, was sie von ihm und seiner Erklärung halten sollte. Eigentlich hoffte sie ja, dass sich der Mensch weiterentwickelt hatte, seitdem er seine Höhlen verlassen hatte.
»Aber jetzt sagen Sie mir, ob ich mit meiner Annahme, Sie seien eine Karrierefrau, richtig liege«, forderte er sie auf. »Für mich ist es immer wieder spannend zu sehen, ob ich die Menschen richtig einschätze.«
»Sie haben recht.«
»Hab’ ich’s doch gewusst!« Ein sehr zufriedener Bernd lächelte sie triumphierend an. »Und in welcher Branche sind Sie?«
»Bauingenieurwesen.«
Er nickte anerkennend und wollte dann genauer wissen, was sie tat. Obwohl sie nicht über die Arbeit sprechen wollte, entwickelte sich ein angeregtes Gespräch. Abschließend meinte Bernd: »Wir
Weitere Kostenlose Bücher