Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)
aufsteigenden Fahrstuhls folgte, plötzlich von einer merkwürdigen Angst gepackt wurde.
»Alles in Ordnung?«, fragte mich Francesca.
»Klar«, antwortete ich, drückte sie an mich und fühlte mich auf einmal schwach und um Jahrzehnte gealtert.
Der Vertrag.
Die aktualisierte Version.
Die am Nachmittag eingetroffen war.
Eine eiskalte Schlange kroch an meiner Hüfte hoch.
Mit welcher Version hatte ich gearbeitet?
Hatte ich den richtigen Vertrag verschickt?
Der Zweifel schlich sich in jede Ader. Mein Atem beschleunigte sich unmerklich. Der Herzschlag wurde schneller.
»Hallo, was ist?«
»Was? Ach so. Nein … Ich bin nur ein wenig aufgeregt.«
»Süß.«
Francescas Stimme erreichte mich wie aus dem Innern einer Blase.
Ich versuchte, die quälenden Ängste abzuschütteln und mich in die Aussicht eines großartigen Abends zu flüchten. Lass dich nicht ablenken , sagte ich mir in Giuseppes Tonfall, be focused . Dennoch wäre ich am liebsten fortgelaufen und hätte das Blackberry angeschaltet, um zu kontrollieren, zu prüfen, sicherzustellen. Glücklicherweise blieb mir noch die nötige Klarsicht, um mir Fragen von moralischer Würde vorzulegen: Was für ein Bild würdest du abgeben? Was für ein Mensch bist du? Ist dir eigentlich bewusst, dass dein Hemd offen steht?
Das Blackberry schaltete ich später an, als ich zusammengesunken im Taxi saß. Erleichtert entdeckte ich, dass alles in Ordnung war und ich mich gar nicht geirrt haben konnte, eine Gewissheit, die ich allerdings nicht mehr im Griff habe, sondern beim erstbesten Zweifel zu verlieren drohe. Die Angst, einen Fehler zu machen, klebt wie ein durchschwitztes Hemd an meinem Körper, feuchtwarmes Ergebnis jahrelanger Suggestion: Wir . Machen . Keine . Fehler . Bevor ich eine E-Mail abschicke, lese ich sie so oft, bis ich sie nicht mehr verstehe, überprüfe mit manischer Genauigkeit die Adresse und öffne dreimal die pdf-Dateien, um sicherzustellen, dass es sich auch wirklich um die richtigen handelt.
Ich schaltete das Blackberry aus.
Du bist schlimmer als ein kleiner Lügner, du bist ein Armleuchter . Und während der Taxifahrer mich nach Hause fuhr, dachte ich an die vergangenen Stunden. In Francescas Zimmer hatte der Abend seinen Lauf genommen, auch wenn ein Teil von mir – wir machen keine Fehler – diese beiden sich wälzenden Körper zu hassen begonnen hatte. Jener Teil von mir, der, je mehr ich dem Höhepunkt entgegenstrebte, desto stärker die Kontrolle über meinen Körper zu erlangen suchte. Jener Teil von mir, der am Ende triumphierte und mich zwischen einer Schulter und einem Kissen zu sprechen drängte.
»Wo habe ich meine Unterhose hingelegt?«
Das war nicht ich.
Das war jener Teil von mir.
»Möchtest du nicht hier schlafen?«
»Äh … Morgen früh … Sitzung … Unterhose.«
Jener Teil von mir.
»Siebenundneunzig«, rufe, oder besser gesagt, schreie ich. »Siebenundneunzig Tage.«
Ein Kellner dreht sich besorgt nach mir um.
»Sie hieß Francesca«, beginne ich. »Erstes und letztes Mal. Seither hat sie …«
»Nein, Andrea«, unterbricht mich Giovannino. »Fang nicht mit deiner depressiven Tour an, das kann ich überhaupt nicht vertragen. Und du?«, wendet er sich an Nicola, der bis zu diesem Moment still geblieben war.
Giovannino, ich und ein paar Kellner, die am Nebentisch sitzen, sehen Nicola an.
»Und du?«, frage auch ich und dehne das u länger als nötig.
Reglos und mit starrem Blick belauern wir Nicola, der sich zurücklehnt, dann wieder vorbeugt, dann die Ellbogen aufstützt, sie wieder hochnimmt, sich mit den Händen die Oberschenkel reibt und dann plötzlich, als würde es ihn schaudern, hochspringt.
»Ich habe verloren, okay?«, ruft er schrill. »Ich habe verloren. Ihr habt gewonnen.«
Er geht zur Klotür, öffnet sie und verschwindet.
»Aber was haben wir denn gesagt?«
»Ihm geht jede Selbstironie ab.«
»Wohl wahr.«
»Lass dir die Rechnung geben.«
»Du musst zahlen. Ich habe mein Portemonnaie in der Kanzlei gelassen.«
»Wie gehen einfach, und wenn Nicola rauskommt, übernimmt er das.«
» Wenn er rauskommt.«
Auf einen Kaffee
»Erinnerst du dich an Canio? Den aus dem dritten Stock?«
»Der letzten Monat Hämorrhoiden hatte?«
»Genau der. Es scheint, dass er zu Probeaufnahmen bei Big Brother war. Erste Staffel.«
»Willst du mich verarschen?«
»Nein, natürlich nicht. Er hat es gestern den Sekretärinnen erzählt. Wie ein VIP hat er sich aufgeführt, und sie lagen ihm alle zu
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