Abgekanzelt: Ein Büro-Roman (German Edition)
aufzuwärmen.«
»Warum nicht? Wir würden vielleicht feststellen, dass es noch nicht endgültig vorbei ist.«
»Bist du verrückt? Hast du mich nicht richtig angeschaut?«
Mir ist, als hätte ich eine Ohrfeige bekommen. Ich reagiere auf ihren hypnotisierenden Blick und schaue hinab. Unter dem grauen Pullover mit den roten Spiralen, die sich über der Brust erheblich dehnen, erkenne ich jetzt eine Rundung, die, falls es Eleonora nicht mit den Curry-Fleischbällchen übertrieben hat, auf eine fortschreitende Schwangerschaft hindeuten könnte.
Mir verschlägt es die Sprache.
»Aber …« Ich deute ein Lächeln an. »Ich würde es lieben wie mein Eigenes.«
»Dummkopf.« Sie macht eine Geste in Richtung von jemandem, den ich nicht sehen kann. »Mir war übrigens nicht sofort klar, dass das ein Scherz sein sollte. Einen Augenblick lang habe ich tatsächlich geglaubt …«
»Wo denkst du hin? Du hast doch gesagt, dass es aus und vorbei ist. Genau das waren deine Worte«, bekräftige ich, immer noch mit einem Lächeln, das aber zunehmend an das Grinsen dieses Tunfischs erinnert, der in der Werbung in die Dose wandert.
»Quatsch, Andrea. Es gibt eine Menge Dinge, die ich dir gerne erzählen würde. Das Wichtigste hast du gesehen … Aber jetzt muss ich verschwinden, vermutlich warten die anderen schon auf mich.« Von neuem eine Geste in Richtung von jemandem, den ich nicht sehen kann.
Eleonora beugt sich vor und küsst mich auf die Wangen.
»Es hat mich …«, sagt sie in Richtung meiner rechten Wange, »… sehr gefreut, dich wiederzusehen …«, sagt sie in Richtung meiner linken Wange, »… wirklich«, fügt sie hinzu und schaut mich an.
Ich blicke ihr nach. Schweigend. Vor dem Damenklo. Am liebsten würde ich ihr hinterherlaufen und rufen: Mich hat es auch gefreut. Wirklich. Neben einer halbleeren Schüssel getrocknete Tomaten steht ein etwa sechzehnjähriges Mädchen mit einem Brillanten in der Nase und einem T-Shirt mit dem Aufdruck, man möge doch bitte zulangen. Sie kichert und schaut an mir herab, dann schaut sie wieder auf und kichert erneut. Ich schaue auch an mir herab. Meine orange-blau-gestreiften Boxershorts blitzen aus meiner Hose hervor. Ich gebe mich locker und ziehe den Reißverschluss hoch, der vermutlich die ganze Zeit offen gestanden hat, damit alle meine wesentlichen Teile diesem Gespräch folgen können.
26
Eleonora hat mich vor zwei Jahren an Heiligabend verlassen.
Ich hatte sie wochenlang nicht sehen können. Genauer gesagt, seit Giuseppe an einem Donnerstagabend, dem Vorabend des Stadtfestes zu Ehren des heiligen Ambrosius, in mein Büro getreten war und mich seinen überaus wertvollen Mitarbeiter genannt hatte.
»Was ist, Giuseppe, sag’s schon.«
»Was iss, was iss …« Giuseppe hob die Hände. »Du klingst wie ein Schlagerstar.« Und schlenkerte mit den Knien. » Wasisswasisswasiss . Darf man nicht mal was Nettes sagen. Hattest du vor, zum Stadtfest zu gehen?«
»Wieso hatte ?«
»Hahaha, Endru, du treibst mich noch zur Verzweiflung.« Er tat so, als würde er sich ein Auge trocknen. »Das war außerdem keine Antwort.«
»Ich bin nicht da. Ich fahre mit Eleonora ans Meer.«
»Aha. Das hast du mir ja gar nicht gesagt.«
»Was heißt, ich habe es dir nicht gesagt?«, platzte ich heraus. »Wir haben letzten Freitag darüber gesprochen, in Hinblick auf das gestrige closing . Wenn wir unterschrieben haben würden – und Gott sei Dank haben wir unterschrieben –, würde ich mir frei nehmen können.«
»Nein«, sagte Giuseppe, nahm mein Mousepad und hielt es ins Gegenlicht. »Ich bezweifle nicht, was du da sagst, aber ich kann mich einfach nicht mehr daran erinnern.«
»Du hast sogar gefragt, was zum Teufel ich denn im Dezember am Meer will.«
»Ich kann mich wirklich nicht mehr erinnern. Aber okay, dann frage ich es halt jetzt: Was zum Teufel willst du denn im Dezember am Meer?«
»Giuseppe, kannst du mir nicht einfach sagen, was los ist?«
»Nichts ist los.« Er legte das Mousepad wieder hin und sagte: »Lustig. Das Mousepad, meine ich. All diese Sternchen, wie die sich bewegen. Möglicherweise könnte eine Geschichte auf uns zukommen, ein Fall, den wir von Michele übernehmen. Aber dazu sag ich erst einmal nichts. Das ist alles noch vollkommen offen. Denk gar nicht dran. Im Falle eines Falles sprechen wir darüber.«
»Aber …«
»Endru, hast du mir zugehört? Im Falle eines Falles.«
Giuseppe verließ mein Büro, kehrte zehn Minuten später zurück und boxte in
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