abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)
Knien stand ich aus dem Sessel auf. Ich muss nach Bad Camberg. Die Forelle hat ihm eine Falle gestellt – und ich werde zu spät kommen, wenn ich hier noch lange mit dieser halben Gehirnzelle um die Wette zetere. Vielleicht ist schon alles zu spät.
»Wann ist er gefahren?«
»Weiß ich doch nicht. Ich hab’ geschlafen.«
Ich hatte die Klinke der Haustür schon in der Hand, als Gracia mit spöttischem Unterton sagte:»Was willst du denn in Bad Camberg erreichen? Glaubst du, der kauft dir die Show ab und fällt vor dir auf die Knie?«
Ich ließ die Klinke los, drehte mich um und schrie: »Bist du so blöde oder tust du nur so?! Hab’ ich doch gerade erklärt. Die Person, die er da treffen wird, die wird ihn vermutlich umbringen. Kapiert? Ha?! Die macht den tot. Du weißt doch was das ist – tot?! Oder?«
Gracia war ein paar Schritte vor mir zurückgewichen. »Das glaub’ ich dir nicht.«
»Dann glaub es eben nicht.« Ich war schon halb aus der Tür, als Gracia, jetzt wesentlich weniger arrogant, sagte: »Du meinst das ernst.«
»Und ob ich das ernst meine.«
»Dann komm’ ich mit.«
Das wüsste ich aber, Hasilein. Du bist offensichtlich nicht Lara Croft, und das ist die Einzige, die ich für diese Aktion hier brauchen könnte.
»Ich zieh’ mir schnell was an.« Sie stolzierte auf ihren langen Beinen in den Wohnbereich, Richtung Schlafzimmer. Ich hörte, wie sie Schranktüren öffnete und Schubladen aufzog und wieder zuknallte. Dann, nach endlosen Minuten, in denen sie wahrscheinlich versucht hatte, die passenden Dessous für eine Expedition in den Taunus auszusuchen, hörte ich die Dusche rauschen.
35
Kurz vor der Ortseinfahrt von Bad Camberg klingelte das Handy, ich nahm den Anruf an und bereute sofort. Es war Gracia, die mich hysterisch anschrie. Ich drückte den roten Knopf. Hatte ich doch recht gehabt – es hatte Ewigkeiten gedauert, bis die halbe Gehirnzelle kapiert hatte, dass ich nicht mehr da war – und ihr Handy und ihr Geld auch nicht. Es war ein spontaner Gedanke gewesen, und ich hatte ihn spontan in die Tat umgesetzt, als ich das Rauschen der Dusche gehört hatte. Sorry, Gracia, ich brauchte Geld für Sprit und wollte dich nicht damit belästigen. Na ja, und das Handy … hat zufällig neben deinem Portemonnaie gelegen. Kriegst du alles wieder, samt Knipser, wenn das hier vorbei ist.
Kurz darauf klingelte es wieder, eben hatte ich die Hauptstraße durch Bad Camberg erreicht. Ich schaute aufs Display – Wilmas Telefonnummer! Ich hatte Mühe, einem Lastwagen auszuweichen, der vorm Klosterkeller parkte und die halbe Fahrbahn blockierte.
»Wilma, ich kann alles erklären.«
»Musst du nicht«, sagte sie, »Gracia hat mir schon alles vorgeschluchzt. Du bist aber auch ein Luder.«
»Was sollte ich denn machen? Er ist in Bad Camberg. Er hat hier einen Fototermin. Ich musste fahren. Vielleicht ist er schon tot!«
»Unternimm um Himmels willen nichts alleine. Was willst du denn jetzt machen?«
»Weiß ich nicht. Ich finde erst mal raus, wo die Forelle wohnt, und dann … ruf’ ich den Polizisten an, diesen Walther. Oder umgekehrt.«
»Sei vorsichtig, versprich es mir.«
»Natürlich.«
Ich riss das Steuer herum, riskierte meinen rechten Vorderreifen, als ich haarscharf am Bordstein vorbeischrammte, und bog am Marktplatz links in die Straße zur Kurklinik ein.
»Wilma … Bist du noch dran?« Ich guckte aufs Display. Kein Empfang mehr.
Als ich wenig später wieder aus der Kurklinik kam, war ich genauso schlau wie vorher. Schröder-Fröse krankgemeldet. Keine Auskunft zum Thema Privatadresse. Was hatte ich denn erwartet? Den roten Teppich ausgerollt zu kriegen? Da hatte selbst der Spruch: »Es geht um Leben und Tod!«, inklusive hysterischem Schluchzer und Augenrollen, nur ein müdes Lächeln der Rezeptionistin ausgelöst, die in ihrem Klinikalltag schon fantasievollere Räuberpistolen aufgetischt bekommen hatte. Und schon hatte sich die automatische Tür wieder hinter mir geschlossen, und ich stand ratlos vor der Klinik.
Schräg gegenüber im Café Plüsch saßen die Kurgäste unter der Markise, lärmten und becherten fröhlich, was das Zeug hielt, und missachteten sämtliche Anordnungen ihrer Ärzte. Vielleicht sollte ich einfach rübergehen, Onkel Walla ins Café Plüsch zitieren und ein oder zwei Wodkas verklappen, während ich auf ihn wartete. Er hätte die freie Auswahl: Entweder er glaubte mir meine Geschichte oder er glaubte sie nicht. Bis ich dann erfahren würde, ob der
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