abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)
gebrochen? Glauben Sie, der Herr Sawatzki aus Recklinghausen stürzt sich aus Liebe zu seiner Frau vom Baugerüst? Oder der Sattelmann hat eingesehen, was für ein schlimmer Junge er war, als er Rita die Kohle abgezockt hat, und hat sich vor lauter Gewissensbissen selbst an den Baum gebunden? Sibylle, das hat Ihre Freundin erledigt.«
»Warum sollte sie das tun?«
»Vielleicht ein neues Ausstellungskonzept? ›Museum der Liebe‹ mit 88 verwesenden Exponaten? Meine Fresse, bin ich hier der Psycho oder Sie?«
»Was Sie da sagen, ist …«
»Hey! Maggie! Wir brauchen grad’ kein Therapiegespräch, wir müssen hier raus!«
Wo der Mann Recht hat, hat er Recht. Bevor die Irre mit Benzin unterm Arm wieder aufkreuzt, sollten wir tunlichst verschwunden sein.
»Los, meine Damen, zack, zack, aufstehen. Gleichzeitig. Da drüben am Kamin hängt eine Axt.«
»Sollen wir dahin springen?«
»Wenn’s hilft, dann spring gefälligst bis zum Mond, Maggie. Willst du hier raus oder was?«
»Ich fange gerade an, dich wieder zu mögen.«
»Ich fange gerade an, dich wieder zu hassen. Los jetzt.«
Er zählte bis drei, aber die Forelle zog nicht mit. Ich plumpste auf meinen Hintern zurück, und der Knipser stöhnte vor Schmerz auf.
»Das geht so nicht«, brüllte ich die Forelle an, »los, noch mal. Auf drei! Und ich brech’ Ihnen die Zähne, wenn Sie jetzt nicht mitmachen. Da komm’ ich mit meinem Fuß noch hin, ich schwör’s.«
»Das schaffen wir nicht«, jammerte sie.
»Hören Sie mir mal gut zu …«, gurrte der Knipser. Auf die Art und Weise schnurrte er im Studio auch immer mit den Models rum, bis sie ihm aus der Hand fraßen und noch viel mehr. Für die Methode, fand ich, hatten wir keine Zeit. Da gehörte mindestens noch ein Prosecco dazu, und den hatten wir nicht. Ich schrie: »Eins, zwei und drei!«
Dann standen wir tatsächlich. Unsere kleine Laokoon-Gruppe schwankte, aber wir schafften es, stehen zu bleiben. Und jetzt springen. Ich zählte wieder bis drei, und wir waren dem Kamin zwölf Zentimeter näher gekommen. Wenn das so weitergeht, sind wir morgen noch nicht da, wo die Axt hängt. »Weiterspringen, verflucht! Weiter!«
»Ich muss rückwärts springen«, beklagte sich der Knipser.
»Dann mach. Eins, zwei …«
Wir schafften ganze zehn Zentimeter. Ich spürte, wie ihm der Schweiß den Nacken hinunterlief. Warum musste ich ausgerechnet das jetzt total sexy finden? Maggie, das ist kein Film, du kämpfst gerade um dein Leben! Mach voran, sonst holt dich deine Oma vom Himmelsbahnhof ab, und das war es dann. Wer weiß, wie langweilig es im Himmel wirklich ist?
»Maggie, das geht so nicht. Wir müssen rollen.«
Der Knipser ließ sich fallen, die Forelle und ich plumpsten hinterher. Mit aller Kraft stemmten die Forelle und ich uns hoch, um auf den Rücken des Knipsers zu kommen, der platt mit der Nase auf der Erde lag. Dann rollten wir los, auf den rettenden Kamin zu. Das Seil schnitt schmerzhaft in meinen Hals, noch eine Sekunde und ich werde ersticken. Weiterrollen, nicht auf mir liegen bleiben!
Schon meinte ich, den Jeep aus der Ferne zu hören – oder war es nur das Rauschen des Blutes, das versuchte, mit aller Macht durch meinen eingeschnürten Hals zu kommen?
Doch! Es näherte sich ein Wagen. Mit aller Kraft stemmten wir uns wieder auf die Beine. Ich pfiff auf dem letzten Loch.
Der Knipser lehnte sich mit dem Oberarm gegen die Schneide der Axt und bewegte den Arm rauf und runter. Die Axt war mit zwei Metallhaken in der Wand befestigt. Hoffentlich bleibt sie während der Aktion da auch hängen. Wenn sie runterfällt, sind wir verloren.
»Ist es durch? Ist es durch?«
»Hälfte«, ächzte er. Ich drehte mich ein bisschen und sah Blut auf den Boden tropfen.
»Es muss reißen. Es muss jetzt reißen«, flehte ich.
»Da ist sie. Ich kann sie hören«, hustete die Forelle.
»Ich auch. Mach schneller …!«
»Los jetzt! Eins, zwei und drei …«, sagte der Knipser.
Ich hatte das Gefühl, meine Augen würden aus den Höhlen springen. Das Seil drückte mir den Kehlkopf zu. Die Forelle neben mir wimmerte vor Schmerz und Angst. Keine Sekunde halte ich das länger aus. Keine Millisekunde.
Dann gab das Seil endlich nach, die letzten Fasern zerrissen, und wir flogen auseinander. Ich landete unsanft auf den Knien. Der Knipser schlug lang hin und blieb reglos liegen.
Eine Autotür wurde geöffnet, und Schritte näherten sich dem Haus. Dann ein Plopp, dann gluckerte es an der Außenwand entlang. Wie
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