abgemurkst: Maggie Abendroth und das gefährliche Fischen im Trüben (German Edition)
einen Rücken gehalten hatten, war der aufgedunsene Bauch einer Wasserleiche.
Wir tauchten unter. Heißt: der Knipser und ich tauchten unter. Die Forelle tauchte nicht unter. Sie rief laut den Namen unseres Musiktherapeuten Mister Pling:»Mike, Mike, da bist du ja. Oh mein Gott. Ariadne, Mike ist tot!«
Was Onkel Walla mit Sonden bewaffneten Hundertschaften und Polizeihunden nicht geschafft hatte, hatten wir mit unserem verzweifelten Gestrampel erledigt. Welchen Verbrechens hatte sich Mister Pling wohl schuldig gemacht, außer seiner tollpatschigen Flirterei mit der halben Damenwelt von Bad Camberg – inklusive seiner Kollegin Sibylle Schröder-Fröse? Oder hatte das Ariadne schon gereicht?
Ich tauchte wieder auf, spuckte ein paar Algen aus und paddelte nach rechts, bloß weg von der Leiche. Der Knipser presste sich an die Burgmauer. Selbst jetzt, wo ich vor Angst schon kurz davor war zu kapitulieren, konnte ich ihn denken hören. Er dachte darüber nach, wie er von der Wasserleiche ein spektakuläres Foto machen konnte. Ich trat wütend nach ihm, traf aber nur die Mauer.
Die Forelle war verschwunden. Über mir wurde es plötzlich hell, und ein Fenster ging auf. Das warf einen Lichtkegel auf Mister Pling. Zwei angewinkelte Arme ragten neben seinem aufgedunsenen Leib aus dem Wasser. An seinem linken Arm fehlte die Hand. Und da war plötzlich Sibylle, direkt neben der Leiche. Ein Schuss knallte, Wasser spritzte auf, aus dem aufgedunsenen Bauch entwich pfeifend Luft. Der Kopf von Sibylle verschwand im Wasser. Eine Männerstimme rief: »He, Ariadne. Was ist los?«
»Wir suchen ein paar total durchgeknallte Psychos aus der Klinik.«
»Du liebe Zeit.«
»Haben im Vollrausch eine Hütte im Wald angezündet.«
»Wir sind sofort da. Warte, ich hol’ die Hunde raus.«
Hat der Kerl die Leiche denn nicht gesehen?
So leise wie möglich, die Nase nur Millimeter über dem Wasserspiegel, bewegten der Knipser und ich uns vorwärts. Immer an der Burgmauer entlang, bis zur kurzen Seite des Gebäudes. Eine Seite des Grabens war trockengelegt. Dort befanden sich die Tierställe.
Ariadne lief mit Nike in die entgegengesetzte Richtung zum Burgtor. Kurz darauf hörten wir, wie die Hofhunde von der Leine gelassen wurden. Wir robbten mit letzter Kraft durch das hohe Schilf ans Ufer.
»Ich kann nicht mehr«, wimmerte ich und spuckte Algen und Wasser aus.
Der Knipser lag neben mir ausgestreckt auf dem Rücken und starrte in den Himmel. Nach ein paar Sekunden flüsterte er: »Ich werde hier nicht sterben.« Er rollte sich auf den Bauch und schaute sich um. »Was ist das da vorne? Ein Stall?«
»Mehrere … alles Mögliche drin …« Ich wischte mir die Tränen aus den Augen und robbte auf einen der Ställe zu, als würde ich von einer unsichtbaren Hand am Kragen dorthin gezerrt.
»Was machst du?«, zischte der Knipser.
»Free Willy.« Mit zitternden Knien zog ich mich an der Holztür hoch und hörte gefährliches Scharren und Schnauben. Ich entriegelte das Tor. Es schwang auf, ich wurde zur Seite geschleudert, und vier Jungbullen tobten auf die Wiese.
Der Knipser machte sich am nächsten Tor zu schaffen. Kaum hatte sich die Tür geöffnet, quollen Massen von Federvieh heraus. Gänse, Enten, Hühner: alle flatterten, aufgeschreckt durch die nächtliche Ruhestörung, in wildem Durcheinander umher. Aus dem nächsten Stall ließen wir die Pferde laufen. Die acht Gäule rasten in Panik über die Wiese, setzten über den niedrigen Holzzaun an der Straße und galoppierten in den Wald. Eine ganze Menge Federvieh folgte ihrem Beispiel gackernd, schnatternd und quakend. Aus dem letzten Stall quoll blökend eine kleine Schafherde, kaum, dass wir das Tor geöffnet hatten. Alle Beteiligten hatten erst mal alle Hände voll zu tun, die Viecher wieder einzusammeln. Und Ariadne musste mithelfen, wenn sie nicht auffallen wollte. In der Zwischenzeit, so hoffte ich, würde irgendjemand die Feuerwehr gerufen und zu Ariadnes Atelier geschickt haben. Irgendjemand muss das Feuer und die Explosion doch bemerkt haben – und die verbrannten Autos sehen. Irgendjemand … irgendwas … am besten sofort!
Wir hörten Ariadne laut Befehle an die Burgmannschaft austeilen. Wir sollten uns unsichtbar machen!
Zwei Meter neben uns lehnte eine Leiter an einem Apfelbaum. Ich nickte dem Knipser zu, und wir kletterten hoch.
»Das … ist … Krieg«, keuchte der Knipser und schwang ein Bein über den Ast.
Mit letzter Kraft zog er an meinem Arm und schaffte es,
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